Dem klagenden Patienten wurde im Krankenhaus der Beklagten durch den ebenfalls beklagten Arzt am 11.1.2010 eine Hüfttotalendoprothese am linken Bein implantiert.In der Folge wurde er aufgrund stark zunehmender Schmerzen in der linken Hüfte am 3.3.2010 wieder stationär aufgenommen. Die Entzündungswerte (Leukozyten und der CRP-Wert) waren nicht erhöht. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens, ergab keinen Befund.

Der beklagte Arzt führte einen Revisionseingriff am 23.3.2010 durch. In dem Operationsbericht, der als Diagnose eine (a)septische Prothesenlockerung anführt, heißt es, dass zunächst lediglich ein Hüftkopfkeramikwechsel vorgesehen gewesen sei, sich jedoch bei einem hierzu erfolgten leichten Schlag die Prothese vollständig aus ihrem Zementmantel gelockert habe. Darauf nahm der Beklagte zu 2) eine Prothesenexplantation vor und schuf eine sog. Girdlestone-Situation (Entfernung des Oberschenkelkopfs ohne Ersatz). Weder wurde ein Spacer eingesetzt, noch eine neue Prothese.

Erst in einer weiteren Operation am 15.6.2010 wurde links eine Hüfttotalendoprothese mit einem Schaft vom Typ Hyperion ein, der aus Schaft, Hals und Kopf bestand eingesetzt. Hierzu heißt es im Operationsbericht: “Einbringen des 160er Schaftes, 14 mm Durchmesser mit 15er-Hals gekoppelt”.

Am 12.4.2011 suchte der klagende Patient bei andauernden Hüftgelenksbeschwerden die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums auf. Bei der dort am 1.6.2011 durchgeführten nochmaligen Revisionsoperation zeigte sich, dass Schaft und Halsteil nicht fest miteinander verbunden waren. Der Operateur wechselte das Halsteil und den Kopf.

Der Kläger hat die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Er hat ihnen – teils gestützt auf zwei Bescheide der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler und drei Gutachten unter anderem vorgeworfen, dass der Beklagte Arzt bei dem Eingriff vom 15.6.2011 die Schaftteile der Prothese nicht ordnungsgemäß miteinander verspannt habe. Er leide unter Schmerzen im linken Hüftgelenk bis in das Bein hinunter in Ruhe und bei Belastung, einer eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks und einer Atrophie der Muskulatur. Er sei auf Gehhilfen und außerhalb des Hauses auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen.

Das Oberlandesgericht Köln kommt nach Anhörung mehrer Sachverständiger zum Ergebnis, dass bei der Operation vom 15.6.2010 der Schaft und das Halsteil der eingesetzten Prothese vom Typ Hyperion fehlerhaft miteinander verspannt worden seien. Anders als durch einen Fehler beim Verspannvorgang sei die bei der Revisionsoperation vom 1.6.2011 festgestellte Tatsache, dass der Schaft und das Halsteil nicht fest miteinander verbunden waren, nicht zu erklären.

Andere Ursachen wie ein Materialfehler oder ein Trauma (z.B. durch einen Sturz des Klägers) seien nicht vorgetragen noch ersichtlich, so dass es für die Lockerung der Prothesen keine andere logische Erklärung gebe als eine Unzulänglichkeit bei der Einbringung der Prothese. Die Wahrscheinlichkeit eines Materialfehlers sei als so gering anzusehen, dass diese nicht in Betracht zu ziehen sei.

Die fehlerhafte Verspannung von Schaft und Halsteil habe einen gesundheitlichen Schaden des Klägers verursacht. Die unmittelbare Folge des Behandlungsfehlers und der primäre Schaden lagen darin, dass die Prothese locker war oder sich bis zur Revisionsoperation vom 1.6.2011 sukzessive lockerte. Dies bewirkte während eines Zeitraums von etwa einem Jahr, eine Fehlfunktion der Hüftprothese und eine Zunahme der Beschwerdesymptomatik, die sich in zunehmenden Schmerzen und einer Reduktion der Gehfähigkeit äußerte.

Der Kläger habe ferner, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts (§ 287 ZPO = Beweiserleicherung für den Patienten) bewiesen, dass die heute bestehenden Folgen und dauerhaften Beeinträchtigungen auf dem Behandlungsfehler und dem Primärschaden beruhen.

Der Sachverständige habe festgestellt, dass der Patient, wie von ihm vorgetragen, unter Schmerzen im linken Hüftgelenk und einer eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks leide sowie bei kurzen Strecken auf Gehhilfen oder eine Hilfsperson und im Übrigen auf den Rollstuhl angewiesen sei.Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass diese Beschwerdebild heute nicht vorliegen würde und beim Kläger eine Hüftfunktion bestünde wie gewöhnlich nach der Implantation einer Prothese, wenn den Beklagten der festgestellte Fehler nicht unterlaufen und die Prothese im Zeitraum bis zum 1.6.2011 nicht gelockert gewesen wäre.

In rechtlicher Hinsicht stellen sich die Beeinträchtigungen, die nach der erfolgreichen Revisionsoperation vom 15.6.2011 andauern, als mittelbare Folge der fehlerhaften Verspannung der Prothese dar. In dem Zeitraum, in dem die Prothesenlockerung bestand, sei keine ausreichende Mobilisation und Rehabilitation des Klägers möglich gewesen, was zur Verfestigung der Funktionseinschränkung und des Beschwerdebildes führte.

Der Kläger behauptete auch, dass die am 11.1.2010 durchgeführte Primäroperation der Prothese bereits nicht indiziert gewesen sei bzw. nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt war, dass dabei die erforderlichen Hygienemaßnahmen nicht eingehalten worden seien und die ärztliche Aufklärung insgesamt nicht oder unzureichend erfolgt sei. Dem folgte das Gericht jedoch nicht.

Am 23.3.2010 sei nicht nur ein einzeitiges Vorgehen, sondern auch ein zweizeitiges Vorgehen ohne den Einsatz eines Spacers unter Schaffung einer sog. Girdlestone-Situation indiziert gewesen. Es sei davon auszugehen, dass ein zweizeitiges Vorgehen trotz der damit verbundenen Nachteile (vorübergehende Beinverkürzung, Instabilität in der Hüfte, Immobilität, weitere Operation) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einer Infektausheilung führt. Ein Spacer hätte die Hüftpfanne, für die im Operationsbericht bereits ein Defekt beschrieben sei, weiter hätte schädigen können.Es bestehe ein Schadenersatz- und Schmerzensgeldanspruch aufgrund einer fehlerhaften Verspannung von Schaft und Halsteil der eingesetzten Prothese.

Zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen, die sich aus den fehlerbedingten Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks sowie der eingeschränkten Gehfähigkeit ergeben, hielt der Senat des Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR für erforderlich. Dabei hat er das hohe Ausmaß der Beschwerden und den langen Zeitraum berücksichtigt, in dem die Schmerzen und die erhebliche Einschränkung des Gehvermögens bestanden und voraussichtlich noch bestehen werden (Urteil des OLG Köln 5. Zivilsenat, 23.05.2018, Az.: 5 U 148/16).

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