Was muss ich als Beschuldigter einer Fahrerflucht oder Unfallflucht und unbedingt beachten?

Ein kleiner Rempler beim Einparken, oder die Fahrzeugtür etwas schwungvoll geöffnet und am Nebenfahrzeug ist ein kleiner Kratzer im Lack entstanden. Ärgerlich und teuer für den Geschädigten, aber was soll´s, denkt der ein oder andere vielleicht und fährt schnell davon, anstatt anzuhalten, auf den Geschädigten zu warten und sich den Konsequenzen zu stellen. Oder man hat es eilig und hinterlässt schnell einen Zettel an der Windschutzscheibe mit Namen und Telefonnummer…Das wird ja wohl genügen!?

Weit gefehlt, in beiden Fällen begehen Sie nach aktueller Gesetzeslage in Deutschland nicht lediglich eine einfache Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Als unangenehme Nebenfolge kommt ggf. auch ein Eintrag im Führungszeugnis hinzu.

Es genügt auch nicht, die Kontaktdaten bei einem Anwohner oder einem Zeugen zu hinterlegen, Selbst dann nicht, wenn der Unfallfahrer sein eigenes Auto am gleichen Ort stehen lässt.

Fahrerflucht oder Unfallflucht nennt man das unerlaubte Entfernen eines Verkehrsteilnehmers vom Unfallort nach einem Verkehrsunfall. Die Unfallflucht ist ein Verkehrsdelikt, das im deutschen Strafrecht in § 142 des Strafgesetzbuchs (StGB) normiert ist.

Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Genauso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich nach Ablauf der angemessenen Wartefrist oder berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich (ggf. bei der Polizei sofern der Geschädigte nicht persönlich ausfindig gemacht werden kann) ermöglicht.

Eine Unfallflucht hat neben einer Geld- oder Freiheitstrafe meist auch ein Fahrverbot oder gar den Führerscheinentzug zur Folge. Erst recht, wenn auch eine Alkoholisierung vorlag und diese Ihnen polizeilich nachgewiesen werden kann.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung wird bei Fahrerflucht den Schaden des Geschädigten vorläufig regulieren, fordert bei einer Verurteilung wegen Fahrerflucht aber oft Regress vom Schädiger. Die eigene Kaskoversicherung des Verursachers ist nicht zur Leistung verpflichtet und wird daher häufig die Regulierung des eigenen Fahrzeugschadens ablehnen.

Generell gilt, wie bei allen Fällen im Strafrecht, dass Sie als Beschuldigter bei der Polizei von Ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machen sollten. Bitte machen Sie keinerlei Angaben zur Sache und kontaktieren Sie uns sobald Sie von der Strafanzeige oder dem Tatvorwurf erfahren.

Als erfahrener Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht wird Rechtsanwalt Matthias Kümpel effektiv daran arbeiten, möglichst eine schnelle Einstellung des belastenden Strafverfahrens zu erreichen.

Für eine verlässliche anwaltliche Einschätzung und Beratung in Ihrer konkreten Sache rufen Sie uns gern an: Tel. 06021- 4229290 oder kontaktieren uns per E-Mail. Wir melden uns bei Ihnen zeitnah.

OLG Bamberg, Urteil v. 17.01.2022 – 1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21
20. Januar 2022
OLG Bamberg, Urteil v. 17.01.2022 – 1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21

1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277- 279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt.
2. Die §§ 277 -279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt.
3. Bei § 74 Abs. 2 IfSG in der ab dem 24.11.2021 gültigen Fassung v. 22.11.2021 handelt es sich um ein Sonderdelikt für impfberechtigte Personen.


Tenor
I. [Anm: Verfahrensverbindung]
II. Die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 03.12.2021 betreffend den Beschuldigten Y und betreffend den Beschuldigten Z, werden verworfen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der hierfür notwendigen Auslagen der Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Entscheidungsgründe
I.
1
Das Amtsgericht, Ermittlungsrichter hat am 17.11.2021 bzw. 18.11.2021 Haftbefehle gegen die Beschuldigten erlassen und diese jeweils auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützt.
2
Dem Beschuldigten Y liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zur Last:
„Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der Beschuldigte in der C-Straße an der dortigen Shell-Tankstelle an einen verdeckten Ermittler der Polizei einen gelben – wohl mit einem Mittäter gemeinsam – angekauften Impfpass, mit 2 selbsterklärenden SARS-COV-2 bzw. Covid-19 Impfungen („Corona-Impfungen“) mit den Impfdaten-Stempeln vom 19.06.2021 und 31.07.2021 und zwei eingeklebten angekauften Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ sowie neben jedem Aufkleber einen selbst erstellten oder angekauften, aber selbst eingetragenen Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift über dem Stempel zum Preis von 150 €, obwohl der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft sei und damit in der aktuellen „Corona Pandemie“-Situation“ als vollständig geimpft gälte.
Der Beschuldigte vereinbarte zudem am 13.11.2021 und 17.11.2021 mit einem verdeckten Ermittler der Polizei die Herstellung und Lieferung von weiteren mindestens 70 gefälschten gelben Impfpässen mit jeweils erneut (wie zuvor mit dem am 11.11.2021 verkauften Impfpass) zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) am 17.11.2021 um die Mittagszeit für 6.500 €, um auch hier erneut Gewinn zu erzielen und in dem Bewusstsein, dass der Käufer diese weiterverkaufen und diese Käufer wiederum damit vortäuschen würden, dass sie zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft seien und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig geimpft gälten.“
3
Dem Beschuldigten Z liegt im Kern folgender Sachverhalt zur Last:
„Der anderweitig Verfolgte Y, der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte A fassten zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt, wohl Anfang November, den Plan, professionell in großem Umfang selbst hergestellte Impfpässe zu verkaufen und diese Geschäftsidee von dem anderweitig Verfolgten M zu übernehmen. Auf dieser Idee basierend agierten sie sodann gemäß dem gemeinsamen Plan als Bande zusammen, um sich durch die Beschaffung und den Verkauf von selbst hergestellten Impfpässen und jeweils zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) eine erhebliche gewinnbringende Einkommensquelle von längerer Dauer und einigem Umfang zu verschaffen:
Der anderweitig Verfolgte Y und der Beschuldigte bestellten jeweils Blanko-Impfausweise wohl bereits mit Arztstempeln versehen, füllten sodann händisch jeweils zwei beliebige Impfdaten aus dem Sommer 2021 ein, beklebten diese sodann jeweils mit 2 angekauften oder selbst hergestellten Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ und unterschrieben auf dem Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift. Dies taten sie in dem Wissen, dass gerade kein Arzt die Ausweise ausstellte und dass der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte A übernahm innerhalb der Gruppierung insbesondere Kurierdienste. Die Tätergruppierung agierte und verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer des Passes damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt gekämpft sei und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig gekämpft gälte.
Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der anderweitig Verfolgte Y einen auf diese Weise hergestellten Impfpass für 150 € dem gemeinsamen Plan entsprechend in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei und bot weitere Impfpässe an. Daraufhin wurde ein weiterer Verkauf von 70 Impfpässen vereinbart und fand am 17.11.2021 gegen 15:15 Uhr zum Preis von 6.500 € erneut in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei statt. Dabei bot der anderweitig Verfolgte Y den Verkauf von weiteren 100 Impfpässen an.
Im Zuge dieses Verkaufs fand der Zugriff der Polizei und die Festnahme der 3 Täter sowie die Sicherstellung der gefälschten Impfpässe statt.“
4
Mit Beschluss vom 18.11.2021 hat das Amtsgericht den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Y außer Vollzug gesetzt. Mit Beschluss vom 20.11.2021 hat es den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Y wieder in Vollzug gesetzt und aufrechterhalten. Auf die Beschwerden der Beschuldigten vom 22.11. bzw. 26.11.2021 hat das Landgericht mit Beschlüssen vom 03.12.2021 den Haftfortdauerbeschluss gegen den Beschuldigten Y und den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Z aufgehoben. Soweit diesen (gewerbs- und bandenmäßige) Urkundenfälschung (Fälschung von Impfausweisen) zur Last lag, ist das Landgericht von der Straflosigkeit des Verhaltens der Beschuldigten im Tatzeitpunkt ausgegangen. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft vom 06.12.2021, die von der Generalstaatsanwaltschaft mit Zuleitungsverfügung vom 17.12.2021 vertreten werden. Die Beschuldigten hatten insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
5
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind als weitere Beschwerden statthaft (§§ 304 Abs. 1, 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO); bei Aufhebung eines Haftbefehls in der Beschwerdeinstanz steht der Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung die weitere Beschwerde zu (vgl. BGHSt 43, 262; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 310 Rn. 8, jew. m.w.N.). Die Rechtsmittel sind auch sonst zulässig (§ 306 Abs. 1 StPO).
III.
6
Die weiteren Beschwerden sind jedoch unbegründet, weil das Verhalten der Beschuldigten, wie das Landgericht in seinen Beschlüssen vom 03.12.2021 im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, hinsichtlich der Herstellung und des Verkaufs der Blankett-Impfausweise nicht strafbar war und es somit insoweit an einem dringenden Tatverdacht strafbaren Verhaltens fehlt. Hinsichtlich der Taten, derer die Beschuldigten neben dem Vorwurf der „Impfpassfälschung“ noch dringend tatverdächtig sind, fehlt es an einem Haftgrund im Sinne des § 112 StPO, was von der Staatsanwaltschaft mangels Ausführungen in ihren Beschwerdebegründungen offenbar ebenso gesehen wird.
7
1. Der Verkauf der Blankett-Impfausweise an einen verdeckten Ermittler erfüllt nicht den Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung.
8
a) Ein Impfausweis stellt, wie das Landgericht zutreffend ausführt, grundsätzlich ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 277 StGB a.F. dar. Gesundheitszeugnisse sind körperliche oder elektronisch fixierte Aussagen über die körperliche oder psychische Gesundheit oder Krankheit eines (lebenden) Menschen. Diese können den gegenwärtigen Befund betreffen, aber auch frühere Krankheiten und deren Folgen (Fischer StGB 68. Aufl. § 277 Rn. 3 m.w.N.). Darunter fällt auch der Impfausweis, da die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt des Gesundheitszustandes impliziert und der Impfausweis Informationen über die Existenz bestimmter körperbezogener Umstände enthält, die auf den Gesundheitszustand dieses Menschen mehr oder weniger Einfluss ausüben müssen oder können (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 26.10.2021 -3 Qs 38/21 bei juris).
9
b) Blankett-Impfausweise sind allerdings keine Gesundheitszeugnisse. Sie enthalten keine Aussage über den Gesundheitszustand eines konkreten individualisierbaren Menschen.
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2. Das Dokumentieren einer nicht durchgeführten Schutzimpfung in einem Blankett-Impfausweis ist schon deshalb nicht als Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB (gegebenenfalls auch in Verbindung mit § 267 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, §§ 30 Abs. 2, 267 Abs. 4 StGB) strafbar, weil § 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung nicht nur im Falle des Gebrauchs gefälschter Impfzeugnisse im privaten Rechtsverkehr einen Rückgriff auf § 267 StGB sperrte (Müko/Erb StGB 3. Aufl. § 277 Rn. 9; SK/Hoyer StGB 5. Aufl. § 277 Rn. 5; LK/Zieschang StGB 12. Aufl. § 277 Rn. 16; zweifelnd: Fischer a.a.O. Rn. 11), sondern eine abschließende spezialgesetzliche Regelung des Echtheits- und Wahrheitsschutzes für ärztliche Gesundheitszeugnisse darstellte (Puppe/Schumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.] StGB 5. Aufl. § 277 Rn. 1 und 14), welche gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 267 StGB eine Sperrwirkung entfaltet (LG Osnabrück a.a.O; LG Karlsruhe Beschluss vom 26.11.2021 – 19 Qs 90/21 bei juris; LG Landau, Beschluss vom 21.12.2021 – 5 Qs 93/21 = BeckRS 2021, 39654; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23.12.2021 – 5 Qs 107/21 bei juris). Ob ein manipulierter Blankett-Impfausweis nach allgemeinen Regeln überhaupt eine Urkunde darstellt und das Verhalten der Beschuldigten seit dem 24.11.2021 als (ggf. bandenmäßige) Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 4 StGB), als Versuch der Urkundenfälschung (§§ 267 Abs. 2, 22 StGB) oder als Verabredung eines Verbrechens der bandenmäßigen Urkundenfälschung (§§ 30 Abs. 2, 267 Abs. 4 StGB) strafbar wäre, kann dahinstehen, da gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
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§ 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung stellte neben den §§ 278, 279 StGB im Bereich der Urkundendelikte eine abschließende gesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen dar, welche den Rückgriff auf § 267 StGB sperrte. Es handelte sich nicht etwa um eine Privilegierung der dort normierten speziellen Fallkonstellationen, welche außerhalb ihres Anwendungsbereichs einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften (insbesondere des § 267 StGB) zugelassen hätte.
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– Hierfür spricht zum einen die systematische Stellung der §§ 277 – 279 StGB a.F., welche die Strafbarkeit des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen ausführlich und ausdifferenziert regeln. Es ist kein Sinn und Zweck erkennbar, warum der Gesetzgeber in den §§ 277-279 a.F. StGB bestimmte Erscheinungsformen des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen einerseits unter gegenüber § 267 StGB milde Strafe stellen, nicht den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 277-279 StGB a.F. unterfallende Verhaltensweisen des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen jedoch nach der allgemeinen Strafvorschriften verfolgt wissen wollte, während es umgekehrt deutliche Hinweise darauf gibt, warum hinsichtlich des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen ein Sonderrecht geschaffen werden sollte.
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– Die §§ 277-279 StGB a.F. befinden sich bereits seit dem Jahre 1871 im Kern unverändert im deutschen Strafgesetz (RGBl. 1871, 127 [180]). Zu dieser Zeit waren die Diagnosemöglichkeiten einer Krankheit wesentlich eingeschränkter und die sich daraus ergebenden Folgerungen für den gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitszustand der Person wesentlich ungewisser als zum heutigen Zeitpunkt. Dementsprechend war der Aussagegehalt eines Gesundheitszeugnisses über den aktuellen Gesundheitszustand einer Person und die sich daraus für ihren künftigen Gesundheitszustand abzuleitenden Folgerungen zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung wesentlich vager und unsicherer als nach den heutigen Diagnosemöglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die nur eingeschränkte inhaltliche Aussagekraft eines Gesundheitszeugnisses zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung spricht dafür, dass der Gesetzgeber einem solchen nicht die gleiche Bedeutung beimessen wollte wie einer sonstigen Urkunde, dass er nur in den vom Gesetz geregelten Fällen überhaupt ein strafwürdiges Unrecht gesehen hat und deshalb die § 277-279 StGB a.F. als abschließende Sonderregelungen in Hinblick auf den Umgang mit Gesundheitszeugnissen verstanden wissen wollte. Im Hinblick auf das besondere Vertrauen, welches schon zur damaligen Zeit dem Urteil eines (i.d.R. studierten) Arztes entgegengebracht wurde, hat der Gesetzgeber andererseits den in § 277 StGB a.F. normierten Sonderfall der Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses unter der dem Aussteller nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt, also einen Fall der schriftlichen Lüge, welche nach der allgemeinen Vorschriften des § 267 StGB grundsätzlich nicht strafbar ist, ausnahmsweise für strafbar erklärt.
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– Wenn ein Gesundheitszeugnis gefälscht werden würde, um es einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorzulegen, es aber noch nicht zur Vorlage gekommen wäre, wäre diese Handlung nicht nach § 277 StGB a.F. strafbar. Sehr wohl läge aber eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vor, da gemäß der Einaktigkeit dieser Strafnorm bereits das Erstellen einer unechten Urkunde den Tatbestand der Urkundenfälschung vollendete. Ohne die Sperrwirkung würde das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses schwerer bestraft als das Fälschen und die anschließende Vorlage. Dies würde einen eklatanten Wertungswiderspruch darstellen (vgl. LG Kaiserslautern a.a.O.).
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3. Eine Strafbarkeit der Beschuldigten wegen des Vorbereitens einer Fälschung von amtlichen Ausweisen (§ 275 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung) scheidet aus, weil die verfahrensgegenständlichen Blankett-Impfausweise keine Vordrucke für amtliche Ausweise darstellen. Impfausweise werden nicht durch Behörden ausgegeben, sondern lassen sich frei beziehen. Sie werden in Arztpraxen oder Impfzentren durch Ärzte oder deren Hilfspersonal mit Impfeinträgen und durch diese Personen oder den Inhaber des Ausweises mit personenbezogenen Daten versehen. Eine Strafbarkeit wegen Vorbereitung der Erstellung von unrichtigen Impfausweisen nach § 275 Abs. 1a StGB in der ab 24.11.2021 geltenden Fassung scheidet für die vorliegenden Tatvorwürfe gemäß § 1 StGB aus.
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4. Eine Strafbarkeit der Beschuldigten nach §§ 74 Abs. 2, 73 Absatz 1a Nr. 8, 22 IfSG kommt ebenfalls nicht in Betracht. § 74 Abs. 2 IfSG ist ein Sonderdelikt. Täter kann nur eine berechtigte Person sein, wie schon der Verweis auf § 22 IfSG zeigt, der die Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person zur unverzüglichen Dokumentation verpflichtet (vgl. Gaede/Krüger NJW 2021, 2159).
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5. Gleiches gilt für eine Strafbarkeit nach § 75a Abs. 3 Nr. 1 IfSG, denn die Norm stellt nur das Gebrauchmachen von solchen falschen Dokumentationen unter Strafe, die durch die strafbare Handlung einer berechtigten Person nach §§ 74 Abs. 2, 73 Abs. 1a Nr. 8, 22 IfSG erstellt wurden (vgl. LG Osnabrück a.a.O.).
IV.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel vertritt bundesweit in großem Umfang Mandanten, die im Zusammenhang mit gefälschten Corona-Impfnachweisen, mit Ermittlungsverfahren überzogen werden Häufig lässt sich bei frühzeitiger Beauftragung eines erfahrenen Strafverteidigers die baldige Einstellung und Erledigung des Verfahrens erreichen.Gerne erhalten Sie eine professionelle Beratung in Ihrem Fall. Bitte rufen Sie uns an. Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Das Jugendstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht und ein Sonderstrafprozessrecht für Personen bzw. Beschuldigte, die sich zur Zeit ihrer Tat im Bereich zwischen Kindheit und Erwachsensein befinden.

Wann wird Jugendstrafrecht angewandt?
Kinder können vor dem 14. Lebensjahr für ihre Taten strafrechtlich überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden, sie gelten als strafunmündig (§ 19 StGB). Für erwachsene Personen hingegen gilt das allgemeine Strafrecht, welches wesentlich im Strafgesetzbuch StGB, aber auch in Nebengesetzen (z.B. Betäubungsmittelgesetz) geregelt ist. Für Jugendliche (14 bis 17 Jahren) gilt in Deutschland das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Auf Heranwachsende (18- bis 20-Jahre) ist sehr häufig gleichfalls das Jugendstrafrecht anwendbar, sofern die Person vom Reifezustand zur Tatzeit im Hinblick auf die konkrete Tat noch einem Jugendlichen gleichzustellen war oder ob es sich um eine jugendtypische Tat handelt. Auch bei Heranwachsenden kommt meist, jedoch nicht immer Jugendstrafrecht zur Anwendung. Die Anwendung von Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht auf Heranwachsende wird in den einzelnen Bundesländern und Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Beim Strafrecht für Erwachsene bemisst sich die Höhe der Strafe maßgeblich nach die Schuld des Täters. Im Jugendstrafrecht steht hingegen wesentlich der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Jugendstrafrecht ist deshalb Erziehungsstrafrecht. Nicht Sühne, Vergeltung, Abschreckung oder Sicherung der Allgemeinheit, sondern Erziehung, Sozialisation und Resozialisierung des Jugendlichen oder Heranwachsenden sind maßgeblich Jugendstrafrecht. Es ist primär auf die Persönlichkeit des Jugendlichen und seine Beweggründe für die Tat abzustellen.

Häufige Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender
Zu nennen sind Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Beförderungserschleichung. Auch Raub- und Erpressung werden verwirklicht z. B. durch das „Abrippen“ von Zigaretten, Smartphones oder Bargeld. Sehr häufig sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) in Form von Besitz und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Oftmals handelt es sich um sogenannte „weiche“ Drogen wie Cannabis oder Marihuana oder auch Amphetamin. Bei der Gruppe der Heranwachsenden treten demgegenüber vermehrt auch erwachsenentypische Delikte wie Betrug und Straßenverkehrsdelikte, seltener auch Sexualdelikte auf.

Ahndung im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gibt es drei Arten von Sanktionen: Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Die Wahl der Rechtsfolge bestimmt sich nach der Tat, der Persönlichkeit des Täters und dem Ziel der Resozialisierung. Es ist unter das effektivste Mittel zu wählen, welches den geringsten Eingriff darstellt und schuldangemessen ist.
Oftmals wird die Ableistung von unentgeltlichen Arbeitsstunden in gemeinnützigen Einrichtungen angeordnet. Auch eine Schadenswiedergutmachung kann im Urteil je nach den finanziellen Möglichkeiten des Beschuldigten vorgesehen werden. Auch kommt, meist nur bei Wiederholungstätern, die Verhängung eines Jugendarrests in Betracht. Der Dauerarrest beläuft sich zeitlich auf mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen.

Schädliche Neigungen
Werden vom Gericht sogenannte „schädlichen Neigungen“ des Betroffenen angenommen ist die Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt als Ahndung vorgesehen. Diese Jugendstrafe kann, wie im allgemeinen Strafrecht auch, bei einer Dauer bis zu 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. In diesem Fall kommt es zur Strafvollstreckung nur im Fall des Widerrufs der Bewährung sofern neue Straftaten begangen werden oder bei Verstoß gegen Bewährungsauflagen.
Das Jugendstrafrecht sieht auch vor, dass von der Verfolgung abgesehen wird (§ 45 JGG) oder das Verfahren ohne Folgen eingestellt wird (§ 47 JGG). Dieser Verzicht auf eine Ahndung erfolgt im Sinne des Erziehungsgedankens, sofern bereits die Einleitung des Strafverfahrens oder andere informelle Maßnahmen ausreichen um dem jungen Menschen die Ernsthaftigkeit der Verfehlung verständlich zu machen. Im Fall einer Verurteilung ist seit 2012 als besondere Form der Strafaussetzung die Vorbewährung möglich (§ 61 JGG).

Voraussetzung für die Verhängung von Strafen
Für jugendliche und heranwachsende Täter gelten keine gesonderten Straftatbestände, es gelten die allgemeinen Vorschriften (wesentlich das Strafgesetzbuch, das Betäubungsmittelgesetz u.a.). Diese bestimmen die strafbaren Handlungen und deren tatsächliche Voraussetzungen. Lediglich die hierfür für erwachsene Täter festgesetzten Rechtsfolgen kommen nicht zur Anwendung, sondern die Sanktionen des Jugendstrafrechts.
Grundlage jeder Strafbarkeit ist damit auch im Jugendstrafverfahren das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes zum Zeitpunkt der Tat, welcher rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht wurde.

Jugendgerichtsverfahren
Zuständig für die Aburteilung von Jugendlichen sind die Jugendgerichte als Abteilungen der Amtsgerichte und Kammern der Landgerichte. Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte sollen „erzieherisch befähigt und in der Jugendarbeit erfahren“ sein. In Strafverfahren, die sich lediglich gegen Jugendliche richten, ist die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht bei Verfahren, die sich (auch) gegen Heranwachsende richten, hier ist die Öffentlichkeit zugelassen.

Jugendgerichtshilfe
Eine Besonderheit des Jugendstrafverfahrens ist auch die Einschaltung der Jugendgerichtshilfe (JGH) welche als besondere staatliche Institution über die Jugendämter organisiert ist. Die JGH ist zur „Vertretung der erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte“ in das Verfahren eingebunden ist. Sie hat zum einen die Aufgabe, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bei der Erforschung der Persönlichkeit des Beschuldigten bzw. Angeklagten, insbesondere bei der Feststellung des Reifegrades (§§ 3, 105 JGG), die notwendigen Informationen zu beschaffen. Zum anderen soll sie den jungen Menschen während des Verfahrens begleiten. Alles was den Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe durch den Jugendlichen mitgeteilt wird, wird von diesen in einem Bericht an das Gericht mitgeteilt. Häufig wird auch ein Vorschlag für die Strafe im Einzelfall unterbreitet. Der Jugendliche oder Heranwachsende ist nicht verpflichtet mit der JGH und deren Mitarbeitern zu kooperieren, Gespräche zu führen bzw. einen Termin dort wahrzunehmen. Ob ein Gespräch mit der JGH im jeweiligen Einzelfall sinnvoll ist oder nicht, sollte mit einem im Strafrecht erfahrenen Anwalt oder Fachanwalt für Strafrecht besprochen werden.

Wichtig: Sie haben das Recht zu schweigen!
Ebenso wie im allgemeinen Strafverfahren hat der Beschuldigte im Jugendstrafverfahren das Recht zu schweigen und muss keinerlei Angaben zu den Tatvorwürfen machen. Von diesem Schweigerecht sollte umfassend Gebrauch gemacht werden. Der Beschuldigte ist auch im Jugendstrafrecht berechtigt jederzeit einen Anwalt hinzuzuziehen. Es ist unbedingt empfehlenswert vor einer Aussage bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder Jugendgerichtshilfe einen im Strafrecht einen spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht hinzuzuziehen.

Als erfahrender Fachanwalt für Strafrecht steht Ihnen in Aschaffenburg und bundesweit Rechtsanwalt Matthias Kümpel unter Tel.: 06021 / 4229290 gern zur Verfügung. In dringenden Fällen wie Festnahme, Haftsachen oder Durchsuchungen sind wir 24h über Mobil erreichbar: 0160 / 90792718.