Das Jugendstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht und ein Sonderstrafprozessrecht für Personen bzw. Beschuldigte, die sich zur Zeit ihrer Tat im Bereich zwischen Kindheit und Erwachsensein befinden.

Wann wird Jugendstrafrecht angewandt?
Kinder können vor dem 14. Lebensjahr für ihre Taten strafrechtlich überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden, sie gelten als strafunmündig (§ 19 StGB). Für erwachsene Personen hingegen gilt das allgemeine Strafrecht, welches wesentlich im Strafgesetzbuch StGB, aber auch in Nebengesetzen (z.B. Betäubungsmittelgesetz) geregelt ist. Für Jugendliche (14 bis 17 Jahren) gilt in Deutschland das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Auf Heranwachsende (18- bis 20-Jahre) ist sehr häufig gleichfalls das Jugendstrafrecht anwendbar, sofern die Person vom Reifezustand zur Tatzeit im Hinblick auf die konkrete Tat noch einem Jugendlichen gleichzustellen war oder ob es sich um eine jugendtypische Tat handelt. Auch bei Heranwachsenden kommt meist, jedoch nicht immer Jugendstrafrecht zur Anwendung. Die Anwendung von Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht auf Heranwachsende wird in den einzelnen Bundesländern und Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Beim Strafrecht für Erwachsene bemisst sich die Höhe der Strafe maßgeblich nach die Schuld des Täters. Im Jugendstrafrecht steht hingegen wesentlich der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Jugendstrafrecht ist deshalb Erziehungsstrafrecht. Nicht Sühne, Vergeltung, Abschreckung oder Sicherung der Allgemeinheit, sondern Erziehung, Sozialisation und Resozialisierung des Jugendlichen oder Heranwachsenden sind maßgeblich Jugendstrafrecht. Es ist primär auf die Persönlichkeit des Jugendlichen und seine Beweggründe für die Tat abzustellen.

Häufige Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender
Zu nennen sind Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Beförderungserschleichung. Auch Raub- und Erpressung werden verwirklicht z. B. durch das „Abrippen“ von Zigaretten, Smartphones oder Bargeld. Sehr häufig sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) in Form von Besitz und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Oftmals handelt es sich um sogenannte „weiche“ Drogen wie Cannabis oder Marihuana oder auch Amphetamin. Bei der Gruppe der Heranwachsenden treten demgegenüber vermehrt auch erwachsenentypische Delikte wie Betrug und Straßenverkehrsdelikte, seltener auch Sexualdelikte auf.

Ahndung im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gibt es drei Arten von Sanktionen: Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Die Wahl der Rechtsfolge bestimmt sich nach der Tat, der Persönlichkeit des Täters und dem Ziel der Resozialisierung. Es ist unter das effektivste Mittel zu wählen, welches den geringsten Eingriff darstellt und schuldangemessen ist.
Oftmals wird die Ableistung von unentgeltlichen Arbeitsstunden in gemeinnützigen Einrichtungen angeordnet. Auch eine Schadenswiedergutmachung kann im Urteil je nach den finanziellen Möglichkeiten des Beschuldigten vorgesehen werden. Auch kommt, meist nur bei Wiederholungstätern, die Verhängung eines Jugendarrests in Betracht. Der Dauerarrest beläuft sich zeitlich auf mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen.

Schädliche Neigungen
Werden vom Gericht sogenannte „schädlichen Neigungen“ des Betroffenen angenommen ist die Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt als Ahndung vorgesehen. Diese Jugendstrafe kann, wie im allgemeinen Strafrecht auch, bei einer Dauer bis zu 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. In diesem Fall kommt es zur Strafvollstreckung nur im Fall des Widerrufs der Bewährung sofern neue Straftaten begangen werden oder bei Verstoß gegen Bewährungsauflagen.
Das Jugendstrafrecht sieht auch vor, dass von der Verfolgung abgesehen wird (§ 45 JGG) oder das Verfahren ohne Folgen eingestellt wird (§ 47 JGG). Dieser Verzicht auf eine Ahndung erfolgt im Sinne des Erziehungsgedankens, sofern bereits die Einleitung des Strafverfahrens oder andere informelle Maßnahmen ausreichen um dem jungen Menschen die Ernsthaftigkeit der Verfehlung verständlich zu machen. Im Fall einer Verurteilung ist seit 2012 als besondere Form der Strafaussetzung die Vorbewährung möglich (§ 61 JGG).

Voraussetzung für die Verhängung von Strafen
Für jugendliche und heranwachsende Täter gelten keine gesonderten Straftatbestände, es gelten die allgemeinen Vorschriften (wesentlich das Strafgesetzbuch, das Betäubungsmittelgesetz u.a.). Diese bestimmen die strafbaren Handlungen und deren tatsächliche Voraussetzungen. Lediglich die hierfür für erwachsene Täter festgesetzten Rechtsfolgen kommen nicht zur Anwendung, sondern die Sanktionen des Jugendstrafrechts.
Grundlage jeder Strafbarkeit ist damit auch im Jugendstrafverfahren das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes zum Zeitpunkt der Tat, welcher rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht wurde.

Jugendgerichtsverfahren
Zuständig für die Aburteilung von Jugendlichen sind die Jugendgerichte als Abteilungen der Amtsgerichte und Kammern der Landgerichte. Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte sollen „erzieherisch befähigt und in der Jugendarbeit erfahren“ sein. In Strafverfahren, die sich lediglich gegen Jugendliche richten, ist die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht bei Verfahren, die sich (auch) gegen Heranwachsende richten, hier ist die Öffentlichkeit zugelassen.

Jugendgerichtshilfe
Eine Besonderheit des Jugendstrafverfahrens ist auch die Einschaltung der Jugendgerichtshilfe (JGH) welche als besondere staatliche Institution über die Jugendämter organisiert ist. Die JGH ist zur „Vertretung der erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte“ in das Verfahren eingebunden ist. Sie hat zum einen die Aufgabe, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bei der Erforschung der Persönlichkeit des Beschuldigten bzw. Angeklagten, insbesondere bei der Feststellung des Reifegrades (§§ 3, 105 JGG), die notwendigen Informationen zu beschaffen. Zum anderen soll sie den jungen Menschen während des Verfahrens begleiten. Alles was den Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe durch den Jugendlichen mitgeteilt wird, wird von diesen in einem Bericht an das Gericht mitgeteilt. Häufig wird auch ein Vorschlag für die Strafe im Einzelfall unterbreitet. Der Jugendliche oder Heranwachsende ist nicht verpflichtet mit der JGH und deren Mitarbeitern zu kooperieren, Gespräche zu führen bzw. einen Termin dort wahrzunehmen. Ob ein Gespräch mit der JGH im jeweiligen Einzelfall sinnvoll ist oder nicht, sollte mit einem im Strafrecht erfahrenen Anwalt oder Fachanwalt für Strafrecht besprochen werden.

Wichtig: Sie haben das Recht zu schweigen!
Ebenso wie im allgemeinen Strafverfahren hat der Beschuldigte im Jugendstrafverfahren das Recht zu schweigen und muss keinerlei Angaben zu den Tatvorwürfen machen. Von diesem Schweigerecht sollte umfassend Gebrauch gemacht werden. Der Beschuldigte ist auch im Jugendstrafrecht berechtigt jederzeit einen Anwalt hinzuzuziehen. Es ist unbedingt empfehlenswert vor einer Aussage bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder Jugendgerichtshilfe einen im Strafrecht einen spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht hinzuzuziehen.

Als erfahrender Fachanwalt für Strafrecht steht Ihnen in Aschaffenburg und bundesweit Rechtsanwalt Matthias Kümpel unter Tel.: 06021 / 4229290 gern zur Verfügung. In dringenden Fällen wie Festnahme, Haftsachen oder Durchsuchungen sind wir 24h über Mobil erreichbar: 0160 / 90792718.