Der beklagte Arzt wurde aufgrund eines Diagnosefehler verurteilt ein Schmerzensgeld in Höhe von € 35.000,00 sowie weiteren materiellen Schadenersatz von  10.559,54 Euro zu zahlen.Bei der Klägerin traten erkältungsähnliche Symptome sowie Fieber und schwerer Durchfall auf, woraufhin sie den Verdacht einer Malariaerkrankung schöpfte und den Beklagten konsultierte.Nach körperlicher Untersuchung der Klägerin diagnostizierte dieser einen gastrointestinalen Infekt, verabreichte der Klägerin Paracetamol und verließ sie sodann. Im Notfallschein vermerkte der Beklagte in dem Feld “Befunde/Therapie” u. a.: “Pulmo o. p. B., […], Fieber, Diarrhoe, Paracetamol 500 mg Tbl.”. Es handelte sich jedoch um einen Diagnosefehler. Die Klägerin wurde in der Folge nachdem sich ihr Zustand verschlechterte und sie bewusstlos wurde notärztlich und intensivmedizinisch klinisch versorgt. In der Klinik wurden eine Malaria tropica mit Cerebralbeteiligung, ein Exanthem (entzündliche Hautveränderung) der oberen Thoraxhälfte, ein Hirnödem und cerebrale Krampfanfälle diagnostiziert und behandelt. Es fand anschließend die Behandlung auf einer infektiologischen Station statt. Im weiteren weiteren Verlauf ging es im Wesentlichen um verbliebene Sehbeeinträchtigungen.

Der von dem Beklagten gegen die Arzthaftung erhobene – grundsätzlich schmerzensgeldrelevante – Mitverschuldenseinwand greift nicht durch. Zunächst kann der Beklagte der Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, sie habe es versäumt, vor ihrem Aufenthalt in Afrika eine Malaria-Prophylaxe vorzunehmen. Ein Arzt, der – wie hier – im Rahmen seiner normalen Berufstätigkeit in Anspruch genommen wurde, kann aus denjenigen Umständen, die zu der Behandlungsbedürftigkeit des Patienten geführt haben, keinen Anspruch auf Entlastung von seiner Verantwortlichkeit herleiten. Es macht für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient nämlich keinen Unterschied, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht.

Die Klägerin war und ist keine Ärztin. Es ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage sie hätte annehmen sollen, dass sie ihren Gesundheitszustand als Laie besser beurteilen kann als der Beklagte. Dies gilt hier umso mehr, als der Gesundheitszustand der Klägerin im Zeitpunkt des Besuchs des Beklagten schlecht war (38,5 Grad Fieber; Herzfrequenz von 124 Schlägen pro Minute; Durchfall; geschwächter Zustand). Auch der Umstand, dass die Klägerin zu einem früheren Zeitpunkt bereits einmal an Malaria erkrankt gewesen ist, macht sie nicht zu einer Malaria-Expertin mit einem gegenüber einem im Bereitschaftsdienst tätigen Arzt überlegenen Fachwissen.

Zwar treffen im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses, das auf gegenseitiges Vertrauen und auf Kooperation angewiesen ist, auch den Patienten je nach Lage des Falles Obliegenheiten zum Schutz der eigenen Gesundheit, deren Verletzung grundsätzlich ein anrechenbares Mitverschulden nach § 254 Abs. 1 BGB begründen kann. Mit Rücksicht auf den Wissens- und Informationsvorsprung des Arztes gegenüber dem medizinischen Laien ist bei der Bejahung von Obliegenheitsverletzungen des Patienten grundsätzlich Zurückhaltung geboten. Ein Mitverschulden an dem Diagnosefehler durch mangelndes Nachfragen durch den Patienten kommt im Rahmen der Arzthaftung daher allenfalls dann in Betracht, wenn sich die Unvollständigkeit der ärztlichen Information jedem Laien aufdrängen oder dem Patienten aufgrund seines besonderen persönlichen Wissens die Unvollständigkeit der Unterrichtung klar sein musste (s. BGH, Urteil vom 11.02.2014 – 8 U 201/11 und BGH Urteil vom 17.12.1996 – VI ZR 133/95).

OLG Frankfurt am Main, 21.03.2017

 

Matthias Kümpel
Rechtsanwalt