Die klagende Patientin nahm die Beklagte wegen Arzthaftung aufgrund einer infolge einer fehlerhaften und nicht notwendigen Bandscheibenoperation  in Anspruch. Folge der Fehlbehandlung war eine Querschnittslähmung unterhalb des dritten Halswirbels.  auf Zahlung von Schmerzensgeld und Feststellung zukünftiger Ersatzpflicht für weitere materielle Schäden in Anspruch.

Die Beklagte diagnostizierte nach entsprechender radiologischer Untersuchung bei der Klägerin unter anderem eine schmerzhafte HWS-Erkrankung mit Verengung des Wirbelkanals (radikulär pseudoradikuläres zervikales Schmerzsyndrom bei Osteochondrosen und Spondylarthrosen C4 bis 7 und Instabilität C3/4 mit konsekutiver Spinalkanalstenose, ein radikulär pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom bei produktiven Osteochondrosen und Spondylarthrosen L4 bis S1, eine ACG-Arthrose links sowie den Verdacht auf ein Thoracic-Outlet-Syndrom rechts).

Die Beklagte ebenso wie der die Klägerin behandelnde Orthopäde, dem der MRT-Befund vorlag, rieten dieser zu einer operativen Behandlung. Die Klägerin begab sich in die stationäre Behandlung der Beklagten. Es wurde zuvor extern ein MRT der Halswirbelsäule gefertigt. Ohne Bezugnahme auf dieses MRT empfahl die Beklagte den chirurgischen Eingriff.

Es erfolgte nach einem präoperativen Gespräch zum Ablauf des geplanten Eingriffs sodann operativ die Implantation einer Bandscheibenprothese C3/4 sowie eine ventrale Fusion C4-7 mit Cage und Verplattung. Postoperativ wurde nach Verlegung auf die Intensivstation eine zunehmende Schwäche aller vier Extremitäten, Nachblutung und eine Rückenmarkskompression festgestellt. Die Klägerin konnte nur noch den rechten Arm und die Zehen bewegen. Insbesondere hatte sie kein Empfindungsvermögen mehr. Es erfolgten seitens der Beklagten dann zwei Revisionsoperationen bis diese schließlich zur weiteren Behandlung in das Querschnittszentrum eines berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikums verlegt wurde. Die Klägerin leidet seit der Operation unter einer kompletten Querschnittslähmung und ist Rollstuhlpflichtig. Die Klägerin verlangt wegen Arzthaftung Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Es habe nach Angaben des Sachverständigen eine unvollständige Befunderhebung stattgefunden hat da eine zwingend erforderliche präoperative stationäre neurologische Untersuchung unterblieben ist. Auch war die Operation war weder dem Grunde, noch der Form nach medizinisch indiziert. Es ließ sich gerade kein Rückschluss vom Auftreten neurologischer Ausfälle auf eine absolute OP-Indikation ziehen. Die Ärzte der Beklagten haben die zur differentialdiagnostischen Abklärung erforderliche Bildgebung in Form einer MRT-Untersuchung fehlerhaft unterlassen.

Es war ausweislich der Unterlagen der Beklagten ein neuer neurologischer Befund bei der Klägerin aufgetreten, mit Sensibilitätsstörungen im rechten Unterarm und der rechten Hand und einer Kraftgradminderung bzgl. des Trizeps und des Bizeps. Diesem Befund hätte man nach Angabe des Sachverständigen zwingend weiter durch Erstellung eines neuen MRT und Veranlassung einer erneuten neurologischen Untersuchung nachgehen müssen. Dabei ist insbesondere die differentialdiagnostische neurologische Untersuchung zum Ausschluss anderer neurologischer Erkrankungen erforderlich gewesen. Beide Untersuchungen waren danach für die Stellung der Operationsindikation zwingend erforderlich. Ihre Unterlassung begründet die Arzthaftung.

Bei zervikalen Bandscheibenvorfällen müssen operative Maßnahmen individuell abgewogen werden, da in vielen Fällen eine konservative Behandlung gleichfalls erfolgversprechend ist. Es bestand daher allenfalls eine relative aber keine absolute OP-Indikation. Auch die Operationsmethode war kontraindiziert. Der Sachverständige hat klargestellt, dass die von den Ärzten der Beklagten angenommene zervikale Myelopathie, die einer operativen Behandlung bedurft hätte, gerade nicht nachgewiesen war. Aus den vorliegenden Befunden waren keine sicheren Anzeichen für eine Schädigung des Rückenmarks (Myelopathie) zu entnehmen.

Das Gericht geht von einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung sowie einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität für die Primärschädigung aus, die von der Beklagten nicht entkräftet worden ist. Im Grundsatz ist von einem Anspruch aus Arzthaftung auszugehen. Durch die Operation ist es zu einer kompletten Querschnittslähmung der Klägerin unterhalb C3/4 gekommen. Präoperativ lagen Fehler im Bereich der Befunderhebung, Diagnostik und Operationsplanung vor. Insgesamt erfolgte eine grob fehlerhafte ärztliche Behandlung. Es wurde ohne hinreichend gesicherte Diagnose operiert und es war daher fehlerhaft, der Klägerin zu diesem Eingriff zu raten. Es hätte danach weder zu diesem Zeitpunkt noch in dieser Form operiert werden dürfen, anderweitige (konservative) therapeutische Möglichkeiten wurden vollkommen außer Acht gelassen.

Letztlich wurde der Klägerin aufgrund der schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen ein Schmerzensgeld von 400.000,00 € aus Arzthaftung zugesprochen. Angesichts zu erwartender weitergehender vor allem materieller Folgen war auch der Feststellungsantrag zulässig und begründet.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 11.11.2016

Matthias Kümpel
Rechtsanwalt