Der Vorwurf des Besitzes oder Verbreitens von kinderpornographischen Inhalten wiegt sehr schwer und ist für die Betroffenen äußerst belastend.
Häufig erfährt man erst anlässlich einer Hausdurchsuchung vom Tatvorwurf. Die Polizei erscheint plötzlich mit einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss und will Zutritt zu Haus oder Wohnung, es werden Handys, Computer und Notebooks und Speichermedien beschlagnahmt. Nachfolgend finden Sie die wichtigsten anwaltliche Hinweise für den Umgang mit solchen polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Kinderpornographie. Anschließend wird die neue Gesetzeslage mit niedrigeren Mindeststrafen kurz erläutert.

1. Sofort Anwalt anrufen! Ruhig bleiben und keinesfalls körperlichen Widerstand leisten!
Wichtig ist es Ruhe zu bewahren und besonnen zu reagieren. Wenn eine Durchsuchung stattfindet, ist die Lage sehr ernst. Dann brauchen Sie sofort den Rat eines versierten Anwalts der im Sexualstrafrecht erfahren ist. Ihr Anwalt kann Ihnen gleich am Telefon besondere Verhaltenstips geben. Sie haben bei der Durchsuchung das Recht mit ihrem Rechtsanwalt zu telefonieren! bestehen Sie unbedingt darauf telefonieren zu dürfen! Ihr Anwalt kann auch direkt mit dem leitenden Polizeibeamten telefonieren, wenn Sie das Telefon an diesen weiterreichen.

2. Schweigen ist Gold: Keine Aussage machen und niemals PIN oder Zugangsdaten herausgeben!
Machen Sie keine Angaben gegenüber der Polizei! Sie haben das Recht zu schweigen! Machen Sie gerade beim Vorwurf von Kinderpornographie davon gebrauch. Lassen Sie sich auch nicht von den psychologisch geschulten Polizeibeamten in Gespräche oder Smaltalk verwickeln. Sie können mit Ihrem Anwalt über alles sprechen aber niemals mit der Polizei! Auch Ihre Angehörigen, Ehepartner, Verwandten und Verlobte haben das Recht zu schweigen.Leisten Sie keinen körperlichen Widerstand. Widersprechen Sie der Durchsuchung und Beschlagnahme ausdrücklich. Verweigern Sie Unterschriften, Sie sind nicht verpflichtet irgendetwas zu unterschreiben. Sie sind rechtlich auch nicht verpflichtet irgendwelche Zugangsdaten oder eine Handy-Pin der Polizei zu nennen oder herauszugeben. Im Einzelfall kann es, aber nur nach vorheriger Abstimmung mit einem Strafverteidiger, sinnvoll sein zu kooperieren.

3. Verlangen Sie den richterlichen Durchsuchungsbeschluss!
Lassen Sie sich den richterlichen Durchsuchungsbeschluss zeigen. Sie haben das Recht ein Exemplar zu erhalten oder aber eine Kopie zu machen. Im Einzelfall kann der Durchsuchungsbeschluss auch vom Richter mündlich erlassen worden sein, dann gibt es kein förmliches Schriftstück. In diesem Fall kann Ihr Rechtsanwalt mittels Akteneinsicht die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen überprüfen. Bei „Gefahr im Verzug“ kann die Polizei oder die Staatsanwaltschaft, auch ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss, die Durchsuchung und Beschlagnahme betreiben. „Gefahr im Verzug“ liegt vor, sofern ein Schaden eintreten würde oder Beweismittel verloren gingen, wenn nicht sofort gehandelt wird.

4. Widersprechen Sie der Durchsuchung und Beschlagnahme!
Wenn bei Verdacht des Besitzes oder Verbreitens von kinderpornographischen Inhalten Ihre mobilen Endgeräte wie Smartphones oder Computer, Tablets sichergestellt werden, haben Sie das Recht ausdrücklich der Maßnahme zu widersprechen. Ihr Widerspruch sollte schriftlich von den Beamten dokumentiert werden.Ihr Anwalt kann dann die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung überprüfen und gegebenenfalls Maßnahmen ergreifen, um diese anzufechten. Achten Sie darauf das alle Gegenstände, die die Polizei mitnimmt, in einem förmlichen Sicherstellungsverzeichnis genau dokumentiert sind. Lassen Sie sich ein Exemplar des Sicherstellungsverzeichnisses aushändigen.

5. Neue Gesetzeslage: Niedrigere Mindeststrafen bei Besitz und Verbreiten von Kinderpornographie
Am 28. Juni 2024 ist eine bedeutende Änderung im Strafgesetzbuch (StGB) in Kraft getreten, die den Strafrahmen für die Verbreitung, Erwerb und Besitz sowie das Abrufen von Kinderpornographie gemäß § 184b StGB angepasst hat. Diese Änderungen haben weitreichende Auswirkungen für Betroffene, die sich mit solchen Tatvorwürfen konfrontiert sehen, eröffnen aber auch neue Möglichkeiten der Verteidigung. Mit der Gesetzesänderung wurden die Mindeststrafen sowohl für den Besitz (jetzt 3 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe) als auch für das Verbreiten (jetzt 6 Monate bis 10 Jahre Freiheitsstrafe) von kinderpornographischen Inhalten herabgesetzt. Auch nach der neuen Gesetzeslage drohen je nach Umfang und Art des kinderpornographischen Materials erhebliche Freiheitsstrafen und Geldstrafen sind nur in leichten Fällen über § 47 Abs. 1 StGB möglich. Zuvor belief sich die Mindeststrafen für Besitz und verbreiten von Kinderpornographie einheitlich jeweils auf 1 Jahr Freiheitsstrafe, womit bereits bei Besitz eines Bildes bereits ein Verbrechen vorlag. Verbrechen sind Straftaten die im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr bedroht sind. Die Reform der Regelung zur Kinderpornographie erfolgte, da diese bisherige einheitliche Strafandrohung für manche, weniger gravierende Fälle, als zu hoch und unflexibel empfunden wurde. Weiterhin soll eine Einstellung bestimmter weniger gravierender Fälle (z.B.: nur einzelne unterschwellige Posing-Bilder, Sticker) durch die Staatsanwaltschaft ermöglicht werden. Auch ist der Weg eröffnet, in geeigneten Fällen einen Strafbefehl zu erlassen, bei dem die mündliche Hauptverhandlung nur nach Einspruch binnen 2 Wochen nach Zustellung stattfindet.

Wenn Sie sich mit dem Tatvorwurf der Kinderpornographie konfrontiert sehen, sollten Sie sofort anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Fachanwalt für Strafrecht mit Schwerpunkt im Sexualstrafrecht wird Sie umfassend beraten und verteidigen, damit diese unangenehme und bedrohliche Situation einer optimalen Lösung zugeführt wird.Die Gesetzesänderung bringt Chancen für eine differenzierte Strafverteidigung, aber auch Herausforderungen, die mit kompetenter juristischer Unterstützung erfolgreich gemeistert werden können. Die Wahrung Ihrer Rechte steht an erster Stelle!

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel vertritt seit vielen Jahren bundesweit erfolgreich in Fällen von Kinderpornographie und wird Ihre Rechte engagiert durchsetzen und verteidigen. Sie werden während des gesamten Verfahrens professionell beraten und unterstützt. In vielen Fällen lässt sich die schnelle Einstellung des für Sie sehr belastenden Strafverfahrens erreichen.
Kontaktieren Sie uns für unverbindliche anwaltliche Erstberatung. Rufen Sie uns an Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Was muss ich als Beschuldigter einer Fahrerflucht oder Unfallflucht und unbedingt beachten?

Ein kleiner Rempler beim Einparken, oder die Fahrzeugtür etwas schwungvoll geöffnet und am Nebenfahrzeug ist ein kleiner Kratzer im Lack entstanden. Ärgerlich und teuer für den Geschädigten, aber was soll´s, denkt der ein oder andere vielleicht und fährt schnell davon, anstatt anzuhalten, auf den Geschädigten zu warten und sich den Konsequenzen zu stellen. Oder man hat es eilig und hinterlässt schnell einen Zettel an der Windschutzscheibe mit Namen und Telefonnummer…Das wird ja wohl genügen!?

Weit gefehlt, in beiden Fällen begehen Sie nach aktueller Gesetzeslage in Deutschland nicht lediglich eine einfache Ordnungswidrigkeit, sondern eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Als unangenehme Nebenfolge kommt ggf. auch ein Eintrag im Führungszeugnis hinzu.

Es genügt auch nicht, die Kontaktdaten bei einem Anwohner oder einem Zeugen zu hinterlegen, Selbst dann nicht, wenn der Unfallfahrer sein eigenes Auto am gleichen Ort stehen lässt.

Fahrerflucht oder Unfallflucht nennt man das unerlaubte Entfernen eines Verkehrsteilnehmers vom Unfallort nach einem Verkehrsunfall. Die Unfallflucht ist ein Verkehrsdelikt, das im deutschen Strafrecht in § 142 des Strafgesetzbuchs (StGB) normiert ist.

Ein Unfallbeteiligter, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat oder eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Genauso wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich nach Ablauf der angemessenen Wartefrist oder berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hat und die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich (ggf. bei der Polizei sofern der Geschädigte nicht persönlich ausfindig gemacht werden kann) ermöglicht.

Eine Unfallflucht hat neben einer Geld- oder Freiheitstrafe meist auch ein Fahrverbot oder gar den Führerscheinentzug zur Folge. Erst recht, wenn auch eine Alkoholisierung vorlag und diese Ihnen polizeilich nachgewiesen werden kann.

Die Kfz-Haftpflichtversicherung wird bei Fahrerflucht den Schaden des Geschädigten vorläufig regulieren, fordert bei einer Verurteilung wegen Fahrerflucht aber oft Regress vom Schädiger. Die eigene Kaskoversicherung des Verursachers ist nicht zur Leistung verpflichtet und wird daher häufig die Regulierung des eigenen Fahrzeugschadens ablehnen.

Generell gilt, wie bei allen Fällen im Strafrecht, dass Sie als Beschuldigter bei der Polizei von Ihrem Recht zu schweigen Gebrauch machen sollten. Bitte machen Sie keinerlei Angaben zur Sache und kontaktieren Sie uns sobald Sie von der Strafanzeige oder dem Tatvorwurf erfahren.

Als erfahrener Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht wird Rechtsanwalt Matthias Kümpel effektiv daran arbeiten, möglichst eine schnelle Einstellung des belastenden Strafverfahrens zu erreichen.

Für eine verlässliche anwaltliche Einschätzung und Beratung in Ihrer konkreten Sache rufen Sie uns gern an: Tel. 06021- 4229290 oder kontaktieren uns per E-Mail. Wir melden uns bei Ihnen zeitnah.

Das Wichtigste zuerst: Bewahren Sie die Ruhe! Diese Situation wird vorübergehen. Schweigen Sie unbedingt zu allen Vorwürfen! Es ist wirklich das Wichtigste dass Sie bei der Polizei die Aussage verweigern! Rufen Sie uns sofort an: Mobil 0160/90792718 oder 06021/4229290. Auch als Angehöriger können Sie jederzeit 24h anrufen. Rechtsanwalt Matthias Kümpel wird den Betroffenen alsbald bei der Polizei oder in der Haftzelle aufsuchen. Nach der polizeilichen Festnahme, muss spätestens am nächsten Tag, eine Vorführung beim Ermittlungsrichter oder Haftrichter erfolgen, der über die Frage der Untersuchungshaft entscheidet. Bei diesem Termin wird Sie Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel professionell verteidigen.

Was erfahren Sie in diesem Beitrag zur U-Haft?
Wann kommt es überhaupt zu Untersuchungshaft? Wie kann man sich dagegen wehren? Wer ordnet die U-Haft an? Wie lange dauert die U-Haft? Was kann ein professioneller Fachanwalt für Strafrecht dafür tun, dass Sie oder ihr Angehörigen schnell wieder Freiheit kommen? Der Beitrag bietet Ihnen wichtige Hinweise und Orientierungen, ersetzt aber keinesfalls eine professionelle anwaltliche Beratung im Einzelfall, wie diese ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht bietet.

Was bedeutet Untersuchungshaft?
Das stärkste Zwangsmittel des Staates bildet die Untersuchungshaft. Die Anordnung der Untersuchungshaft ist besonders einschneidend für den betroffenen Menschen. Der Verlust der Freiheit bedeutet einen massiven Eingriff in seine Grundrechte und ist die schärfste Maßnahme, die dem Staat gegenüber dem Bürger zur Verfügung steht. Der Mensch wird plötzlich aus seinem sozialen Umfeld, der Familie und seiner Berufstätigkeit herausgerissen mit Handschellen gefesselt und gewaltsam in einer Justizvollzugsanstalt weggesperrt. Gerade zu Beginn der Untersuchungshaft kommt es zu einer starken Traumatisierung beim Betroffenen als auch bei den häufig nichtsahnenden Angehörigen. Hier ist ein Fachanwalt für Strafrecht mit viel Erfahrung, Verständnis und auch psychologischem Geschick sicher eine sehr gute Wahl.

Wie passen Untersuchungshaft und die Unschuldsvermutung zusammen?
Wenn Untersuchungshaft angeordnet wird, befinden wir uns im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (=Vorverfahren). Hier sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft als Ermittlungsbehörden zuständig. Die Polizei ermittelt quasi unter dem Fokus und der Aufsicht der Staatsanwaltschaft (StA). Die Staatsanwaltschaft entscheidet z.B. ob der Erlass eines Haftbefehl für die Untersuchungshaft bei Gericht beantragt wird oder nicht. Die Behörde wird folglich als „Herrin des Ermittlungsverfahrens“ bezeichnet. Die Untersuchungshaft wird meist vom Ermittlungsrichter beim Amtsgericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet. Die Untersuchungshaft wird angeordnet obwohl weder die Tatbegehung noch die Schuld des Betroffenen überhaupt feststeht. Zweck der U-Haft ist nicht die Bestrafung sondern die Sicherung des Strafverfahrens. Dies bedeutet, für den Betroffenen Tatverdächtigen gilt solange die Unschuldsvermutung fort, bis es in nach einer späteren gerichtlichen Hauptverhandlung tatsächlich zu einer rechtskräftigen Verurteilung wegen einer Straftat kommt.

Wer ordnet Untersuchungshaft an?
Die Untersuchungshaft wird während des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens durch den Ermittlungsrichter oder Haftrichter beim zuständigen Amtsgericht auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft angeordnet. In anderen Fällen, wenn die Staatsanwaltschaft schon eine Anklage bei Gericht erhoben hat, wird die U-Haft vom Gericht angeordnet, welches auch für die anstehende Hauptverhandlung zuständig ist.

Wie lange dauert die Untersuchungshaft?
Die maximale Dauer der Untersuchungshaft beträgt 6 Monate. Eine Fortdauer über 6 Monate hinaus darf nur erfolgen, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund die längere Fortdauer rechtfertigen. Nach 6 Monaten Dauer erfolgt, ohne dass dies beantragt werden muss, eine besondere Haftprüfung durch das zuständige Oberlandesgericht. Beim Haftgrund der Wiederholungsgefahr beträgt die maximale Dauer der U-Haft 12 Monaten.

Was bedeutet dringender Tatverdacht?
Voraussetzung der Untersuchungshaft ist, dass ein dringender Tatverdacht gegen den Beschuldigten besteht. Ein dringender Tatverdacht liegt vor, wenn aufgrund der bisherigen Ermittlungen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Betroffene auch tatsächlich der Täter der ihm vorgeworfenen Straftat ist. Bloße Vermutungen oder schwache Indizien der Begehung der Straftat durch die Person reichen für die Anordnung von U-Haft keinesfalls aus. Zweck der Untersuchungshaft soll nicht die Bestrafung sein, sondern allein die Sicherung des Strafverfahrens.

Welche gesetzlichen Haftgründe gibt es?
Neben dem oben erläuterten dringenden Tatverdacht, also der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die Person die Straftat auch tatsächlich begangen hat, muss noch ein gesetzlicher Haftgrund vorliegen. Folgende Gründe für die U-Haft sind gesetzlich in den §§ 112 ff. der Strafprozessordnung geregelt:

• Flucht
• Fluchtgefahr
• Verdunklungsgefahr
• Wiederholungsgefahr
• Verdacht eines Schwerstverbrechens

Ist die Untersuchungshaft verhältnismäßig?
Untersuchungshaft darf nicht angeordnet werden darf, „wenn sie zu der Bedeutung der Sache und am Ende des Strafverfahrens zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Es wäre also beispielsweise sicher unverhältnismäßig eine Person in Haft zu nehmen, die nicht vorbestraft ist und die eine ganz geringe Menge Betäubungsmittel unbefugt besessen oder einen einfachen Ladendiebstahl mit geringem Wert begangen haben soll.

Was bedeutet der Beschleunigungsgrundsatz bei Untersuchungshaft?
Der verfassungsrechtlich verankerte Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen verlangt bezogen auf das in Rede stehende Strafverfahren, dass die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Geschwindigkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfenen Taten herbeizuführen (BVerfGE 20, 45; 36, 264, 273). Kommt es zu vermeidbaren und dem Staat zuzurechnenden Verfahrensverzögerungen, wobei es auf eine wie auch immer geartete Vorwerfbarkeit nicht ankommt, liegt ein Verstoß gegen Artikel 2 Abs. 2 S. 2 GG vor (vgl. BVerfGE 20, 45, 50). Ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht wird gegen eine vermeidbare Verfahrensverzögerung vorgehen und für die baldige Entlassung des Mandanten aus der Untersuchungshaft kämpfen.

Welche Rechte hat der Betroffene gegen die Untersuchungshaft?
Zunächst ist es natürlich das Ziel der Verteidigung die Untersuchungshaft mit aller Kraft zu vermeiden. Hierzu ist gegen den dringende Tatverdacht und den Haftgrund zu argumentieren. Es sind vom Strafverteidiger alle für den Mandanten sprechenden Umstände deutlich mit Nachdruck vorzubringen. Gegen eine gerichtlich angeordnete Untersuchungshaft kann nach eingehender Beratung durch den Strafverteidiger, frühestens nachdem der Rechtsanwalt Akteneinsicht in die Ermittlungsakten erhalten hat, mündliche Haftprüfung (gleiches Gericht zuständig welches den Haftbefehl erlassen hat, mündliche Verhandlung) oder Haftbeschwerde (übergeordnetes Gericht ist zuständig, schriftliches Verfahren) beantragt werden.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel ist als erfahrener Strafverteidiger in Aschaffenburg, im Rhein-Main-Gebiet und bundesweit tätig.

Gerne bieten wir Ihnen eine professionelle Beratung vom Fachanwalt für Strafrecht. Bitte kontaktieren Sie uns. Bei Festnahmen oder Durchsuchungen können Sie uns rund um die Uhr anrufen. Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 Telefon: 06021/4229290 oder gern per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Es ist für den Betroffenen sicher eine sehr unangenehme und peinliche Angelegenheit, wenn eine Anzeige wegen Diebstahl bei der Polizei erstattet wurde und ein Strafverfahren beginnt. Trotzdem ist es das Beste, erst ein paarmal richtig tief durchzuatmen und die Ruhe zu bewahren. Die weiteren Schritte sind gut zu überlegen, damit ein optimales Ergebnis herauskommt. Hierzu erhalten Sie jetzt einige Informationen über den Ablauf des Verfahrens bei einem Diebstahl, die einzelnen Varianten des Diebstahls werden erläutert und ich geben Ihnen schließlich wichtige Ratschläge und Tipps für den Umgang mit der Polizei.

Strafanzeige und Ermittlungsverfahren

Nach der Strafanzeige bei der Polizei läuft ein sogenanntes strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Es werden also durch die Polizei Ermittlungen vorgenommen, also verschiedene Beweise erhoben. Es werden Zeugen vernommen, Dokumente und Videoaufzeichnungen gesichert, manchmal werden auch DNA-Spuren oder Fingerabdrücke gesichert. Es kann im Einzelfall bei Vorliegen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses oder bei Gefahr im Verzug auch zu einer Durchsuchung der Wohnung oder der Festnahme des Beschuldigten mit nachfolgender Untersuchungshaft kommen.Der Beschuldigte wird oft erst später polizeilich angehört und sollte besser keine Angaben machen, doch dazu noch später.

Diebstahl ist nicht gleich Diebstahl

Ein Diebstahl begeht, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.
Diebstahl ist der vorsätzliche Bruch fremden Gewahrsams und die neu Begründung nicht notwendig eigenen neuen Gewahrsams bei bestehender Zueignungsabsicht.
Auch wenn der Diebstahl letztlich nicht gelingt also nicht vollendet wird, also nur ein Versuch vorliegt, ist die Handlung strafbar, wenn auch mit geringerer Strafe als bei einer Vollendung.

Bei einem einfachen Diebstahl (§ 242 StBG) kann dem Gesetz nach Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe herauskommen. Es gibt also einen sehr breiten Rahmen, wie die Sache ausgehen kann, sofern es keine Einstellung oder einen Freispruch gibt. Die Höhe der Strafe hängt beim Diebstahl wesentlich davon ab welchen Verkehrswert das Diebesgut hat und auch von persönlichen Umständen wie z.B. bestehende Vorstrafen und welche Motivation der Tat zu Grunde liegt. Auch ist relevant, ob die Beute an den Geschädigten zurückgeben wurde und damit der Schaden wiedergutgemacht ist.

Es gibt noch den Fall eines besonders schweren Fall des Diebstahls (§ 243 StGB). Dieser kann mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft werden. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einem Einbruchsdiebstahl oder wenn jemand gewerbsmäßige stiehlt. Auch wenn die Sache durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist und diese gestohlen wird, liegt ein solcher besonders schwerer Fall des Diebstahls vor.

Bei einem Diebstahl mit Waffen, dem Bandendiebstahl oder einem Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 StGB) ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren zu rechnen. Ein Diebstahl begeht, wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen.
Diebstahl ist der vorsätzliche Bruch fremden Gewahrsams und die neu Begründung nicht notwendig eigenen neuen Gewahrsams bei bestehender Zueignungsabsicht.
Auch wenn der Diebstahl letztlich nicht gelingt also nicht vollendet wird, also nur ein Versuch vorliegt, ist die Handlung strafbar, wenn auch mit geringerer Strafe als bei einer Vollendung.

Ladendiebstahl-Familiendiebstahl-Diebstahl beim Arbeitgeber

Bei einem Ladendiebstahl wird häufig im Geschäft bereits eine sogenannte Bearbeitungsgebühr verlangt, die für den Fall dass tatsächlich ein Diebstahl begangen wurde, in bestimmtem Rahmen, gefordert werden darf. Es wird gern auch noch ein Hausverbot für das einzelne Geschäft oder die die ganze Ladenkette oder das Einkaufszentrum ausgesprochen. Dieses ist zu beachten, da man bei Nichtbeachtung des Hausverbots einem Hausfriedensbruch begeht.

Im Falle eines Hausdiebstahls oder eines Familiendiebstahls und bei einem Diebstahl geringwertiger Sachen wird die Tat in der Regel nur auf Strafantrag des Bestohlenen verfolgt.Aktuell liegt die Grenze der Geringwertigkeit bei einem Verkehrswert von etwa 25 bis 50 Euro. Als Arbeitnehmer gilt es zu beachten, dass selbst der Diebstahl nur geringwertigster Gegenstände des Arbeitgebers eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen kann. 


Verjährung

Ein Diebstahl verjährt regelmäßig nach fünf Jahren. Nach der Verjährung erfolgt keine strafrechtliche Ahndung der Tat mehr. Die Verjährung beginnt mit der Beendigung der Tat, wird aber gelegentlich auch unterbrochen, z.B. durch die Vernehmung des Beschuldigten, einen Strafbefehl oder die Beauftragung eines Sachverständigen durch das Gericht oder die Staatsanwaltschaft, sofern der Beschuldigte zuvor vernommen wurde oder ihm die  Einleitung des Ermittlungsverfahrens bekanntgegeben worden ist. Die Regelung ist im Einzelfall recht kompliziert und die Verjährung sollte daher durch einen eine Anwalt für Strafrecht geprüft werden.

Bitte schweigen Sie!

Im Strafrecht und auch beim Diebstahlsvorwurf gilt wie häufig im Leben im Leben das alte Sprichwort: „Schweigen ist Gold“. Da die Ahndung des Diebstahls von verschiedenen Tatumständen, der Beweislage und auch den persönlichen Tatmotiven des jeweiligen Einzelfalls abhängt, lässt sich eine genauere Aussage zur konkret Strafe nicht so einfach treffen. Der wichtigste Rat des Anwalts ist im Strafrecht ist, dass Sie als Beschuldigter eines Diebstahls gegenüber der Polizei keine Aussage machen sollten. Sie müssen sich nicht als Beweismittel gegen sich selbst präsentieren und der bei der Polizei etwas erzählen. Auch sofern Sie einen schriftlichen Anhörungsbogen als Beschuldigter von der Polizei zugesandt bekommen, gilt dieser wichtigste anwaltlichen Rat keine Angaben zur Sache zu machen, weder schriftlich noch mündlich. Als Beschuldigte eines Strafverfahrens haben Sie immer das Recht zu Schweigen und hieraus dürfen Ihnen keinerlei rechtliche Nachteile entstehen.

Kann ich mich im Strafrecht nicht einfach selbst vertreten und verteidigen?

Es ist wie bei einer Krankheit, man kann Sie im Einzelfall vielleicht selbst kurieren, es kann aber auch schief gehen, deshalb ist es in den meisten Fällen besser zum Arzt zu gehen um die Heilungschancen zu erhöhen. Der strafrechtliche Vorwurf des Diebstahls ist, um im Bild zu bleiben, nicht mit einem leichten Schnupfen oder Halsweh zu vergleichen. Es drohen oftmals hohe Strafen, manchmal bei einer Freiheitsstrafe gravierenden Folgen für Ihr weiteres Leben. Sie sollten sich daher den Rat und Beistand eines Fachanwalt für Strafrecht sichern, wenn Sie Beschuldigter eines Diebstahls sind. Der Rechtsanwalt kann Ihren Einzelfall nach erfolgter Akteneinsicht professionell beurteilen. Er wird Ihre Verteidigung bei der Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Gericht anzeigen. Der strafrechtlich spezialisierte und erfahrene Fachanwalt wird an Ihrer Verteidigung arbeiten und möglichst bewirken, dass das Strafverfahren schnell eingestellt und erledigt wird, so dass es dann auch keinen nachteiligen Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis gibt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel ist als erfahrener Strafverteidiger in Aschaffenburg, im Rhein-Main-Gebiet und bundesweit tätig.

Gerne erhalten Sie eine professionelle fachanwaltliche Beratung in Ihrem Fall. Bitte rufen Sie uns an. Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

OLG Bamberg, Urteil v. 17.01.2022 – 1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21
20. Januar 2022
OLG Bamberg, Urteil v. 17.01.2022 – 1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21

1. Ein Impfausweis stellt erst dann ein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277- 279 StGB dar, wenn er einen konkreten individualisierbaren Menschen erkennen lässt.
2. Die §§ 277 -279 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung beinhalten eine abschließende spezialgesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen, welche den Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 267 StGB sperrt.
3. Bei § 74 Abs. 2 IfSG in der ab dem 24.11.2021 gültigen Fassung v. 22.11.2021 handelt es sich um ein Sonderdelikt für impfberechtigte Personen.


Tenor
I. [Anm: Verfahrensverbindung]
II. Die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft gegen die Beschlüsse des Landgerichts vom 03.12.2021 betreffend den Beschuldigten Y und betreffend den Beschuldigten Z, werden verworfen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der hierfür notwendigen Auslagen der Beschuldigten trägt die Staatskasse.
Entscheidungsgründe
I.
1
Das Amtsgericht, Ermittlungsrichter hat am 17.11.2021 bzw. 18.11.2021 Haftbefehle gegen die Beschuldigten erlassen und diese jeweils auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr gestützt.
2
Dem Beschuldigten Y liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zur Last:
„Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der Beschuldigte in der C-Straße an der dortigen Shell-Tankstelle an einen verdeckten Ermittler der Polizei einen gelben – wohl mit einem Mittäter gemeinsam – angekauften Impfpass, mit 2 selbsterklärenden SARS-COV-2 bzw. Covid-19 Impfungen („Corona-Impfungen“) mit den Impfdaten-Stempeln vom 19.06.2021 und 31.07.2021 und zwei eingeklebten angekauften Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ sowie neben jedem Aufkleber einen selbst erstellten oder angekauften, aber selbst eingetragenen Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift über dem Stempel zum Preis von 150 €, obwohl der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft sei und damit in der aktuellen „Corona Pandemie“-Situation“ als vollständig geimpft gälte.
Der Beschuldigte vereinbarte zudem am 13.11.2021 und 17.11.2021 mit einem verdeckten Ermittler der Polizei die Herstellung und Lieferung von weiteren mindestens 70 gefälschten gelben Impfpässen mit jeweils erneut (wie zuvor mit dem am 11.11.2021 verkauften Impfpass) zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) am 17.11.2021 um die Mittagszeit für 6.500 €, um auch hier erneut Gewinn zu erzielen und in dem Bewusstsein, dass der Käufer diese weiterverkaufen und diese Käufer wiederum damit vortäuschen würden, dass sie zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt geimpft seien und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig geimpft gälten.“
3
Dem Beschuldigten Z liegt im Kern folgender Sachverhalt zur Last:
„Der anderweitig Verfolgte Y, der Beschuldigte und der Mitbeschuldigte A fassten zu einem nicht mehr näher bestimmbaren Zeitpunkt, wohl Anfang November, den Plan, professionell in großem Umfang selbst hergestellte Impfpässe zu verkaufen und diese Geschäftsidee von dem anderweitig Verfolgten M zu übernehmen. Auf dieser Idee basierend agierten sie sodann gemäß dem gemeinsamen Plan als Bande zusammen, um sich durch die Beschaffung und den Verkauf von selbst hergestellten Impfpässen und jeweils zwei selbst eingetragenen SARS-COV-2 bzw. Covid-19-Impfungen („Corona-Impfungen“) eine erhebliche gewinnbringende Einkommensquelle von längerer Dauer und einigem Umfang zu verschaffen:
Der anderweitig Verfolgte Y und der Beschuldigte bestellten jeweils Blanko-Impfausweise wohl bereits mit Arztstempeln versehen, füllten sodann händisch jeweils zwei beliebige Impfdaten aus dem Sommer 2021 ein, beklebten diese sodann jeweils mit 2 angekauften oder selbst hergestellten Aufklebern mit sogenannten Chargen-Nummern von vermeintlichen Impfstoffen mit der Bezeichnung „COMIRNATY Ch.-B. FA5833 und COMIRNATY Ch.-B FC1440“ und unterschrieben auf dem Stempel mit selbst angebrachter nicht leserlicher Unterschrift. Dies taten sie in dem Wissen, dass gerade kein Arzt die Ausweise ausstellte und dass der Ankäufer nicht der geimpfte Inhaber des Ausweises war. Der Ankäufer musste dann nur noch selbst einen Namen auf der Vorderseite des Passes eintragen. Der Beschuldigte A übernahm innerhalb der Gruppierung insbesondere Kurierdienste. Die Tätergruppierung agierte und verkaufte aus reiner Gewinnerzielungsabsicht in dem Bewusstsein, dass der Käufer des Passes damit vortäuschen würde, dass er zweifach gegen SARS-COV-2 bzw. Covid-19 durch einen Arzt gekämpft sei und damit in der aktuellen „Corona-Pandemie“-Situation als vollständig gekämpft gälte.
Am 11.11.2021 gegen 16:10 Uhr verkaufte der anderweitig Verfolgte Y einen auf diese Weise hergestellten Impfpass für 150 € dem gemeinsamen Plan entsprechend in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei und bot weitere Impfpässe an. Daraufhin wurde ein weiterer Verkauf von 70 Impfpässen vereinbart und fand am 17.11.2021 gegen 15:15 Uhr zum Preis von 6.500 € erneut in der C-Straße an einen verdeckten Ermittler der Polizei statt. Dabei bot der anderweitig Verfolgte Y den Verkauf von weiteren 100 Impfpässen an.
Im Zuge dieses Verkaufs fand der Zugriff der Polizei und die Festnahme der 3 Täter sowie die Sicherstellung der gefälschten Impfpässe statt.“
4
Mit Beschluss vom 18.11.2021 hat das Amtsgericht den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Y außer Vollzug gesetzt. Mit Beschluss vom 20.11.2021 hat es den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Y wieder in Vollzug gesetzt und aufrechterhalten. Auf die Beschwerden der Beschuldigten vom 22.11. bzw. 26.11.2021 hat das Landgericht mit Beschlüssen vom 03.12.2021 den Haftfortdauerbeschluss gegen den Beschuldigten Y und den Haftbefehl gegen den Beschuldigten Z aufgehoben. Soweit diesen (gewerbs- und bandenmäßige) Urkundenfälschung (Fälschung von Impfausweisen) zur Last lag, ist das Landgericht von der Straflosigkeit des Verhaltens der Beschuldigten im Tatzeitpunkt ausgegangen. Hiergegen richten sich die weiteren Beschwerden der Staatsanwaltschaft vom 06.12.2021, die von der Generalstaatsanwaltschaft mit Zuleitungsverfügung vom 17.12.2021 vertreten werden. Die Beschuldigten hatten insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
5
Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft sind als weitere Beschwerden statthaft (§§ 304 Abs. 1, 310 Abs. 1 Nr. 1 StPO); bei Aufhebung eines Haftbefehls in der Beschwerdeinstanz steht der Staatsanwaltschaft gegen diese Entscheidung die weitere Beschwerde zu (vgl. BGHSt 43, 262; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 310 Rn. 8, jew. m.w.N.). Die Rechtsmittel sind auch sonst zulässig (§ 306 Abs. 1 StPO).
III.
6
Die weiteren Beschwerden sind jedoch unbegründet, weil das Verhalten der Beschuldigten, wie das Landgericht in seinen Beschlüssen vom 03.12.2021 im Ergebnis zu Recht ausgeführt hat, hinsichtlich der Herstellung und des Verkaufs der Blankett-Impfausweise nicht strafbar war und es somit insoweit an einem dringenden Tatverdacht strafbaren Verhaltens fehlt. Hinsichtlich der Taten, derer die Beschuldigten neben dem Vorwurf der „Impfpassfälschung“ noch dringend tatverdächtig sind, fehlt es an einem Haftgrund im Sinne des § 112 StPO, was von der Staatsanwaltschaft mangels Ausführungen in ihren Beschwerdebegründungen offenbar ebenso gesehen wird.
7
1. Der Verkauf der Blankett-Impfausweise an einen verdeckten Ermittler erfüllt nicht den Tatbestand der Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung.
8
a) Ein Impfausweis stellt, wie das Landgericht zutreffend ausführt, grundsätzlich ein Gesundheitszeugnis im Sinne des § 277 StGB a.F. dar. Gesundheitszeugnisse sind körperliche oder elektronisch fixierte Aussagen über die körperliche oder psychische Gesundheit oder Krankheit eines (lebenden) Menschen. Diese können den gegenwärtigen Befund betreffen, aber auch frühere Krankheiten und deren Folgen (Fischer StGB 68. Aufl. § 277 Rn. 3 m.w.N.). Darunter fällt auch der Impfausweis, da die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt des Gesundheitszustandes impliziert und der Impfausweis Informationen über die Existenz bestimmter körperbezogener Umstände enthält, die auf den Gesundheitszustand dieses Menschen mehr oder weniger Einfluss ausüben müssen oder können (vgl. LG Osnabrück, Beschluss vom 26.10.2021 -3 Qs 38/21 bei juris).
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b) Blankett-Impfausweise sind allerdings keine Gesundheitszeugnisse. Sie enthalten keine Aussage über den Gesundheitszustand eines konkreten individualisierbaren Menschen.
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2. Das Dokumentieren einer nicht durchgeführten Schutzimpfung in einem Blankett-Impfausweis ist schon deshalb nicht als Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB (gegebenenfalls auch in Verbindung mit § 267 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, §§ 30 Abs. 2, 267 Abs. 4 StGB) strafbar, weil § 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung nicht nur im Falle des Gebrauchs gefälschter Impfzeugnisse im privaten Rechtsverkehr einen Rückgriff auf § 267 StGB sperrte (Müko/Erb StGB 3. Aufl. § 277 Rn. 9; SK/Hoyer StGB 5. Aufl. § 277 Rn. 5; LK/Zieschang StGB 12. Aufl. § 277 Rn. 16; zweifelnd: Fischer a.a.O. Rn. 11), sondern eine abschließende spezialgesetzliche Regelung des Echtheits- und Wahrheitsschutzes für ärztliche Gesundheitszeugnisse darstellte (Puppe/Schumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen [Hrsg.] StGB 5. Aufl. § 277 Rn. 1 und 14), welche gegenüber der allgemeinen Vorschrift des § 267 StGB eine Sperrwirkung entfaltet (LG Osnabrück a.a.O; LG Karlsruhe Beschluss vom 26.11.2021 – 19 Qs 90/21 bei juris; LG Landau, Beschluss vom 21.12.2021 – 5 Qs 93/21 = BeckRS 2021, 39654; LG Kaiserslautern, Beschluss vom 23.12.2021 – 5 Qs 107/21 bei juris). Ob ein manipulierter Blankett-Impfausweis nach allgemeinen Regeln überhaupt eine Urkunde darstellt und das Verhalten der Beschuldigten seit dem 24.11.2021 als (ggf. bandenmäßige) Urkundenfälschung (§ 267 Abs. 4 StGB), als Versuch der Urkundenfälschung (§§ 267 Abs. 2, 22 StGB) oder als Verabredung eines Verbrechens der bandenmäßigen Urkundenfälschung (§§ 30 Abs. 2, 267 Abs. 4 StGB) strafbar wäre, kann dahinstehen, da gemäß Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
11
§ 277 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung stellte neben den §§ 278, 279 StGB im Bereich der Urkundendelikte eine abschließende gesetzliche Regelung über die Strafbarkeit des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen dar, welche den Rückgriff auf § 267 StGB sperrte. Es handelte sich nicht etwa um eine Privilegierung der dort normierten speziellen Fallkonstellationen, welche außerhalb ihres Anwendungsbereichs einen Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften (insbesondere des § 267 StGB) zugelassen hätte.
12
– Hierfür spricht zum einen die systematische Stellung der §§ 277 – 279 StGB a.F., welche die Strafbarkeit des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen ausführlich und ausdifferenziert regeln. Es ist kein Sinn und Zweck erkennbar, warum der Gesetzgeber in den §§ 277-279 a.F. StGB bestimmte Erscheinungsformen des Umgangs mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen einerseits unter gegenüber § 267 StGB milde Strafe stellen, nicht den Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 277-279 StGB a.F. unterfallende Verhaltensweisen des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen jedoch nach der allgemeinen Strafvorschriften verfolgt wissen wollte, während es umgekehrt deutliche Hinweise darauf gibt, warum hinsichtlich des Umgangs mit Gesundheitszeugnissen ein Sonderrecht geschaffen werden sollte.
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– Die §§ 277-279 StGB a.F. befinden sich bereits seit dem Jahre 1871 im Kern unverändert im deutschen Strafgesetz (RGBl. 1871, 127 [180]). Zu dieser Zeit waren die Diagnosemöglichkeiten einer Krankheit wesentlich eingeschränkter und die sich daraus ergebenden Folgerungen für den gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheitszustand der Person wesentlich ungewisser als zum heutigen Zeitpunkt. Dementsprechend war der Aussagegehalt eines Gesundheitszeugnisses über den aktuellen Gesundheitszustand einer Person und die sich daraus für ihren künftigen Gesundheitszustand abzuleitenden Folgerungen zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung wesentlich vager und unsicherer als nach den heutigen Diagnosemöglichkeiten und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Die nur eingeschränkte inhaltliche Aussagekraft eines Gesundheitszeugnisses zum Zeitpunkt der Gesetzesentstehung spricht dafür, dass der Gesetzgeber einem solchen nicht die gleiche Bedeutung beimessen wollte wie einer sonstigen Urkunde, dass er nur in den vom Gesetz geregelten Fällen überhaupt ein strafwürdiges Unrecht gesehen hat und deshalb die § 277-279 StGB a.F. als abschließende Sonderregelungen in Hinblick auf den Umgang mit Gesundheitszeugnissen verstanden wissen wollte. Im Hinblick auf das besondere Vertrauen, welches schon zur damaligen Zeit dem Urteil eines (i.d.R. studierten) Arztes entgegengebracht wurde, hat der Gesetzgeber andererseits den in § 277 StGB a.F. normierten Sonderfall der Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses unter der dem Aussteller nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt, also einen Fall der schriftlichen Lüge, welche nach der allgemeinen Vorschriften des § 267 StGB grundsätzlich nicht strafbar ist, ausnahmsweise für strafbar erklärt.
14
– Wenn ein Gesundheitszeugnis gefälscht werden würde, um es einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft vorzulegen, es aber noch nicht zur Vorlage gekommen wäre, wäre diese Handlung nicht nach § 277 StGB a.F. strafbar. Sehr wohl läge aber eine Strafbarkeit nach § 267 StGB vor, da gemäß der Einaktigkeit dieser Strafnorm bereits das Erstellen einer unechten Urkunde den Tatbestand der Urkundenfälschung vollendete. Ohne die Sperrwirkung würde das bloße Fälschen eines Gesundheitszeugnisses schwerer bestraft als das Fälschen und die anschließende Vorlage. Dies würde einen eklatanten Wertungswiderspruch darstellen (vgl. LG Kaiserslautern a.a.O.).
15
3. Eine Strafbarkeit der Beschuldigten wegen des Vorbereitens einer Fälschung von amtlichen Ausweisen (§ 275 StGB in der bis 23.11.2021 geltenden Fassung) scheidet aus, weil die verfahrensgegenständlichen Blankett-Impfausweise keine Vordrucke für amtliche Ausweise darstellen. Impfausweise werden nicht durch Behörden ausgegeben, sondern lassen sich frei beziehen. Sie werden in Arztpraxen oder Impfzentren durch Ärzte oder deren Hilfspersonal mit Impfeinträgen und durch diese Personen oder den Inhaber des Ausweises mit personenbezogenen Daten versehen. Eine Strafbarkeit wegen Vorbereitung der Erstellung von unrichtigen Impfausweisen nach § 275 Abs. 1a StGB in der ab 24.11.2021 geltenden Fassung scheidet für die vorliegenden Tatvorwürfe gemäß § 1 StGB aus.
16
4. Eine Strafbarkeit der Beschuldigten nach §§ 74 Abs. 2, 73 Absatz 1a Nr. 8, 22 IfSG kommt ebenfalls nicht in Betracht. § 74 Abs. 2 IfSG ist ein Sonderdelikt. Täter kann nur eine berechtigte Person sein, wie schon der Verweis auf § 22 IfSG zeigt, der die Durchführung von Schutzimpfungen berechtigte Person zur unverzüglichen Dokumentation verpflichtet (vgl. Gaede/Krüger NJW 2021, 2159).
17
5. Gleiches gilt für eine Strafbarkeit nach § 75a Abs. 3 Nr. 1 IfSG, denn die Norm stellt nur das Gebrauchmachen von solchen falschen Dokumentationen unter Strafe, die durch die strafbare Handlung einer berechtigten Person nach §§ 74 Abs. 2, 73 Abs. 1a Nr. 8, 22 IfSG erstellt wurden (vgl. LG Osnabrück a.a.O.).
IV.
18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel vertritt bundesweit in großem Umfang Mandanten, die im Zusammenhang mit gefälschten Corona-Impfnachweisen, mit Ermittlungsverfahren überzogen werden Häufig lässt sich bei frühzeitiger Beauftragung eines erfahrenen Strafverteidigers die baldige Einstellung und Erledigung des Verfahrens erreichen.Gerne erhalten Sie eine professionelle Beratung in Ihrem Fall. Bitte rufen Sie uns an. Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Durch das Internet und die modernen Social-Media Plattformen wie z.B. WhatsApp, Snapchat, Telegram erfolgt ein reger Austausch zwischen Personen. Es werden so auch kinderpornographische Inhalte weitergeleitet. Häufig wurden diese Bilder oder Videodateien zuvor im Darknet über Tauschböresen beschafft.

Der Tatvorwurf des Besitzes oder Verbreitens von Kinderpornographie bzw. Kinderpornographischer Inhalte ist wegen der hohen Strafdrohung keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen. Derartige Ermittlungsverfahren aus dem Sexualstrafrecht sind für die Betroffenen natürlich äußerst unangenehm und auch psychisch sehr belastend. Partnerschaft, Familie und das soziale wie berufliche Umfeld sind betroffen.

Für den Strafverteidiger ist es das Ziel Im Sexualstrafrecht neben einer Bestrafung auch eine Eintragung im Bundeszentralregister und Führungszeugnis zu vermeiden. In vielen unserer Mandate aus dem Bereich der Kinderpornographie sowie der Sexualdelikte konnten wir bisher, aufgrund langjähriger anwaltlicher Erfahrung, eine baldige Einstellung des Verfahrens oder zumindest eine nur milde Bestrafung erreichen. In vielen Fällen werden die Betroffenen auch zu Unrecht mit dem belastenden Tatvorwurf eines Sexualdelikts konfrontiert. Es ist zu überprüfen, ob bei Polizei und Staatsanwaltschaft wirklich belastbare Beweise für einen Tatnachweis vorliegen.

Ein Fachanwalt für Strafrecht oder strafrechtlich erfahrener Anwalt wird im Sexualstrafrecht frühzeitig und offensiv die rechtliche Position des Mandanten proaktiv gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft kommunizieren, um möglichst die schnelle Einstellung des Strafverfahrens für seinen Mandanten zu erreichen.

Erwerb, Verbreitung und Besitz von Kinderpornographie (“kinderpornografische Inhalte”) sind strafbar (§ 184 b StGB). Durch eine Gesetzesänderung, welche am 01.07.2021 in Kraft trat, wurden die Strafen im Zusammenhang mit Kinderpornografie erheblich angehoben. Es droht eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, bei Gewerbsmäßigkeit steht sogar eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren im Raum. Durch die Gerichte werden dem Gesetz folgend oftmals empfindlichen Haftstrafen ausgesprochen.

Die Gesetzesvorschrift betreffend Kinderpornographie lautet wie folgt:

§ 184b Strafgesetzbuch
Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte
(1) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer
1. einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a) sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b) die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c) die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
2. es unternimmt, einer anderen Person einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, zugänglich zu machen oder den Besitz daran zu verschaffen,
3. einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches Geschehen wiedergibt, herstellt oder
4. einen kinderpornographischen Inhalt herstellt, bezieht, liefert, vorrätig hält, anbietet, bewirbt oder es unternimmt, diesen ein- oder auszuführen, um ihn im Sinne der Nummer 1 oder der Nummer 2 zu verwenden oder einer anderen Person eine solche Verwendung zu ermöglichen, soweit die Tat nicht nach Nummer 3 mit Strafe bedroht ist.
Gibt der kinderpornographische Inhalt in den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 kein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(2) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, und gibt der Inhalt in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wieder, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen.
(3) Wer es unternimmt, einen kinderpornographischen Inhalt, der ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergibt, abzurufen oder sich den Besitz an einem solchen Inhalt zu verschaffen oder wer einen solchen Inhalt besitzt, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
(4) Der Versuch ist in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Nummer 1 strafbar.
(5) Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und Absatz 3 gelten nicht für Handlungen, die ausschließlich der rechtmäßigen Erfüllung von Folgendem dienen:
1. staatlichen Aufgaben,
2. Aufgaben, die sich aus Vereinbarungen mit einer zuständigen staatlichen Stelle ergeben, oder
3. dienstlichen oder beruflichen Pflichten.
(6) Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 und 4 und Satz 2 gilt nicht für dienstliche Handlungen im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, wenn
1. die Handlung sich auf einen kinderpornographischen Inhalt bezieht, der kein tatsächliches Geschehen wiedergibt und auch nicht unter Verwendung einer Bildaufnahme eines Kindes oder Jugendlichen hergestellt worden ist, und
2. die Aufklärung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(7) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder 3 oder Absatz 3 bezieht, werden eingezogen. § 74a ist anzuwenden.
___________________________________________________________________________________________________________________________

Häufig wird bei diesen Ermittlungsverfahren im Sexualstrafrecht im Wege der Durchsuchung in der Wohnung der Betroffenen die gesamte Hardware, wie Computer, Smartphones etc. beschlagnahmt und forensisch ausgewertet. Beachten Sie bitte, dass gegenüber der Polizei keinerlei Verpflichtung besteht Passworte oder die Zugangsdaten für Smartphones oder Computer mitzuteilen.

Unbedingt beachten: Auch beim Vorwurf der Verbreitung und des Besitzes von Kinderpornographie gilt, dass Sie keinesfalls eine Aussage bei der Polizei machen sollten, ohne sich vorher von einem im Strafrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten zu lassen, Sie haben als Beschuldigter immer das Recht zu Schweigen und die Aussage vollständig verweigern, wenn Sie von Ihrem Schweigerecht Gebrauch machen, darf dies im Strafverfahren nicht zu Ihren Lasten berücksichtigt werden.

Gerade der Tatvorwurf des Besitzes oder Verbreitens kinderpornographischer Inhalte macht es aufgrund der hohen Strafdrohung unerlässlich, sofort nachdem eine Durchsuchung erfolgt ist oder die Polizei sich bei Ihnen gemeldet hat und Sie eine Vorladung zur Aussage erhalte haben, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der spezielle langjährige Erfahrung in der Vertretung von Mandaten im Sexualstrafrecht besitzt.

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel vertritt seit vielen Jahren im bundesweit Mandanten, denen Besitzes oder Verbreitung von Kinderpornographie oder Sexualdelikte vorgeworfen werden. In vielen Fällen lässt sich bei frühzeitiger Beauftragung eines erfahrenen Strafverteidigers die Einstellung und Erledigung des Verfahrens erreichen.

Gerne erhalten Sie eine professionelle anwaltliche Beratung in Ihrem Fall. Bitte rufen Sie uns an. Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Aufgrund der Corona-Impfung ist die rechtliche Diskussion um gefälschte Impfpässe und die Strafbarkeit der Verwendung dieser Impfnachweise entbrannt. Der Staat hat nunmehr aber durch eine Gesetzesänderung reagiert, welche „Neufälle“ ab dem 24.11.2021 erfasst.

Zunächst wird man bei falschen Impfpässen an eine Urkundenfälschung denken. Die Strafbarkeit der Urkundenfälschung ist in § 276 Strafgesetzbuch (StGB) bestimmt. Daneben regeln § 277 und § 279 StGB als speziellere Vorschrift die Fälschung von Gesundheitszeugnissen und deren Benutzung. Ein Impfpass ist ohne Zweifel ein Gesundheitszeugnis. Grundsätzlich ist aber immer das speziellere Gesetz anzuwenden, also im Falle der Fälschung von Impfausweisen (§ 277 StGB) und der Benutzung von gefälschten Impfausweisen der § 279 StGB.

Die Strafbarkeit der Fälschung von Impfpässen ergibt sich für die Altfälle unproblematisch aus § 277 StGB. Eine Besonderheit ergibt sich aber wie bereits angedeutet bei der Verwendung von falschen Impfnachweisen, wenn also die im Impfausweis oder -zertifikat bescheinigte Impfung tatsächlich nicht erfolgt ist. Gemäß § 279 StGB musste der Impfnachweis, nach der alten bis zum 23.11.2021 geltenden Gesetzeslage, einer Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft zwecks Täuschung vorgelegt worden sein. Nur dann ergab sich eine Strafbarkeit.

Die Vorlage des Impfpasses im Original oder digitalisiert per App z.B. in Restaurants im Rahmen von 2G, Arbeitgebern oder einem Konzertveranstalter, war bis zum 23.11.2021 nicht als Fälschung von Gesundheitszeugnissen nach § 277 StGB strafbar, da es sich nicht um Behörden oder Versicherungsgesellschaften handelt. Auch bei Vorlage in der Apotheke ergibt sich keine Strafbarkeit, da eine Apotheker auch wenn sie in gewisser Weise öffentliche Aufgaben bei der Ausstellung von Impfzertifikaten (QR-Codes) wahrnehmen eben keine Behörden sondern Freiberufler. Verschiedene Staatsanwaltschaften gehen hier jedoch contra legem, entgegen dem eindeutigen Wortlaut, von einer Strafbarkeit aus.

Es kann für diese sogenannten Altfälle keinesfalls die allgemeine Vorschrift der Urkundenfälschung des § 267 StGB herangezogen werden, so dass eine Strafbarkeitslücke vorliegt. Auch die alte Regelung des § 74a Infektionsschutzgesetz (IfSG) führt nach zutreffender Rechtsauffassung nicht zur Strafbarkeit dieser Handlungen im Tatzeitraum vor dem 24.11.2021.

Diese Ermittlungsverfahren sind eigentlich durch die Staatsanwaltschaft einzustellen, soweit die Vorlage falscher Impfnachweise vorgeworfen wird. Viele Staatsanwaltschaften gehen dennoch von der Strafbarkeit aus und greifen zur Vermeidung der ungewünschten Gesetzeslücke unzulässiger Weise auf die Urkundenfälschung des § 267 StGB oder § 74a Infektionsschutzgesetz zurück. Hier ist es die Aufgabe des erfahrenen Anwalts für Strafrecht auf diese Rechtslage dezidiert hinzuweisen und die Einstellung der Verfahren zu erreichen.

Diese Rechtslage betrifft jedoch wie gesagt nur Sachverhalte welche sich bis zum 23.11.2021 zugetragen haben. Ab dem 24.11.2021 trat eine Gesetzesänderung in Kraft. Die Vorschriften lauten in der Neufassung jetzt wie folgt:

§ 277 StGB Unbefugtes Ausstellen von Gesundheitszeugnissen
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbierte Medizinalperson ein Zeugnis über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unbefugtem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unbefugt ausstellt.

§ 278 StGB Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse
(1) Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr als Arzt oder andere approbierte Medizinalperson ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen ausstellt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) 1In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. 2Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von unrichtigem Ausstellen von Gesundheitszeugnissen verbunden hat, Impfnachweise oder Testzertifikate betreffend übertragbare Krankheiten unrichtig ausstellt.

§ 279 StGB Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse
Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr von einem Gesundheitszeugnis der in den §§ 277 und 278 bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.

Das befugte oder unbefugte Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse ist nach wie vor strafbar, womit die Ausstellung falscher Impfpässe durch Ärzte (§ 278 StGB) und unbefugte Privatpersonen (§ 277 StGB) erfasst ist. Nunmehr ist als wesentliche Änderung auch der Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse zur Täuschung im Rechtsverkehr generell nach § 279 StGB (neue Fassung ab 24.11.2021) strafbar, so dass alle Fälle bei denen ein gefälschter Impfnachweis irgendwem zwecks Täuschung vorgelegt wird erfasst sind. Es droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

Den Apotheken kommt durch die Ausstellung der Zertikate mit QR-Code häufig eine wichtige Rolle bei der Entdeckung der falschen Impfpässe zu.
Bei einem konkretem Verdacht, dass ein gefälschter Pass vorliegt, z. B. aufgrund unklarer Chargennummern etc. darf jedenfalls vom Apotheker kein Impfzertifikat ausgestellt werden. Ansonsten macht sich der Apotheker selbst gemäß § 75a Infektionsschutzgesetz (IfSG) strafbar.
Die Apotheken verständigen bei konkretem Verdacht oft direkt die Polizei.

Es ist rechtlich zweifelhaft ob Apotheker einfach die Polizei informieren dürfen, denn diese sind Berufsgeheimnisträger, und Berufsgeheimnisse sind strafrechtlich geschützt über § 203 StGB, genau wie bei Ärzten oder Rechtsanwälten. Jede anvertraute und bekannt gewordene Information ist ein Berufsgeheimnis und unterliegt der Schweigepflicht. Dass eine Person mit falschem Impfausweis keinen Anspruch auf dieses Recht haben sollten, ist strafrechtlich nicht leicht zu begründen. Die Ermittlungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaften) haben hier häufig kein gesteigertes Interesse an der Strafverfolgung, so dass die Verstöße oftmals nicht verfolgt bzw. eingestellt werden.

Ein wichtiger Rat wenn Sie eine Vorladung zur Vernehmung als Beschuldigter von der Polizei erhalten haben: Bitte machen Sie bei der Polizei keinesfalls eine Aussage. Sie haben das Recht zu Schweigen und sollten hiervon unbedingt Gebrauch machen.

Ziehen Sie frühzeitig einen im Bereich der Fälschung von Impfpässen erfahrenen Anwalt bzw. Fachanwalt für Strafrecht hinzu.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel vertritt bundesweit in großem Umfang Mandanten, die im Zusammenhang mit gefälschten Corona-Impfnachweisen, mit Ermittlungsverfahren überzogen werden.

Häufig lässt sich bei frühzeitiger Beauftragung eines erfahrenen Strafverteidigers die baldige Einstellung und Erledigung des Verfahrens erreichen.
Gerne erhalten Sie eine professionelle Beratung in Ihrem Fall. Bitte rufen Sie uns an. Telefon: 06021/4229290, Mobil oder WhatsApp: 0160/90792718 oder kontaktieren Sie uns per E-Mail: kanzlei@recht-ab.de oder Kontaktformular.

Das Jugendstrafrecht ist ein Sonderstrafrecht und ein Sonderstrafprozessrecht für Personen bzw. Beschuldigte, die sich zur Zeit ihrer Tat im Bereich zwischen Kindheit und Erwachsensein befinden.

Wann wird Jugendstrafrecht angewandt?
Kinder können vor dem 14. Lebensjahr für ihre Taten strafrechtlich überhaupt nicht zur Verantwortung gezogen werden, sie gelten als strafunmündig (§ 19 StGB). Für erwachsene Personen hingegen gilt das allgemeine Strafrecht, welches wesentlich im Strafgesetzbuch StGB, aber auch in Nebengesetzen (z.B. Betäubungsmittelgesetz) geregelt ist. Für Jugendliche (14 bis 17 Jahren) gilt in Deutschland das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Auf Heranwachsende (18- bis 20-Jahre) ist sehr häufig gleichfalls das Jugendstrafrecht anwendbar, sofern die Person vom Reifezustand zur Tatzeit im Hinblick auf die konkrete Tat noch einem Jugendlichen gleichzustellen war oder ob es sich um eine jugendtypische Tat handelt. Auch bei Heranwachsenden kommt meist, jedoch nicht immer Jugendstrafrecht zur Anwendung. Die Anwendung von Jugendstrafrecht oder allgemeinem Strafrecht auf Heranwachsende wird in den einzelnen Bundesländern und Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Beim Strafrecht für Erwachsene bemisst sich die Höhe der Strafe maßgeblich nach die Schuld des Täters. Im Jugendstrafrecht steht hingegen wesentlich der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Jugendstrafrecht ist deshalb Erziehungsstrafrecht. Nicht Sühne, Vergeltung, Abschreckung oder Sicherung der Allgemeinheit, sondern Erziehung, Sozialisation und Resozialisierung des Jugendlichen oder Heranwachsenden sind maßgeblich Jugendstrafrecht. Es ist primär auf die Persönlichkeit des Jugendlichen und seine Beweggründe für die Tat abzustellen.

Häufige Straftaten Jugendlicher und Heranwachsender
Zu nennen sind Diebstahl, Sachbeschädigung, Körperverletzung und Beförderungserschleichung. Auch Raub- und Erpressung werden verwirklicht z. B. durch das „Abrippen“ von Zigaretten, Smartphones oder Bargeld. Sehr häufig sind Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtmG) in Form von Besitz und Handeltreiben mit Betäubungsmitteln. Oftmals handelt es sich um sogenannte „weiche“ Drogen wie Cannabis oder Marihuana oder auch Amphetamin. Bei der Gruppe der Heranwachsenden treten demgegenüber vermehrt auch erwachsenentypische Delikte wie Betrug und Straßenverkehrsdelikte, seltener auch Sexualdelikte auf.

Ahndung im Jugendstrafrecht
Im Jugendstrafrecht gibt es drei Arten von Sanktionen: Erziehungsmaßregel, Zuchtmittel und Jugendstrafe. Die Wahl der Rechtsfolge bestimmt sich nach der Tat, der Persönlichkeit des Täters und dem Ziel der Resozialisierung. Es ist unter das effektivste Mittel zu wählen, welches den geringsten Eingriff darstellt und schuldangemessen ist.
Oftmals wird die Ableistung von unentgeltlichen Arbeitsstunden in gemeinnützigen Einrichtungen angeordnet. Auch eine Schadenswiedergutmachung kann im Urteil je nach den finanziellen Möglichkeiten des Beschuldigten vorgesehen werden. Auch kommt, meist nur bei Wiederholungstätern, die Verhängung eines Jugendarrests in Betracht. Der Dauerarrest beläuft sich zeitlich auf mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen.

Schädliche Neigungen
Werden vom Gericht sogenannte „schädlichen Neigungen“ des Betroffenen angenommen ist die Jugendstrafe in einer Jugendstrafanstalt als Ahndung vorgesehen. Diese Jugendstrafe kann, wie im allgemeinen Strafrecht auch, bei einer Dauer bis zu 2 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. In diesem Fall kommt es zur Strafvollstreckung nur im Fall des Widerrufs der Bewährung sofern neue Straftaten begangen werden oder bei Verstoß gegen Bewährungsauflagen.
Das Jugendstrafrecht sieht auch vor, dass von der Verfolgung abgesehen wird (§ 45 JGG) oder das Verfahren ohne Folgen eingestellt wird (§ 47 JGG). Dieser Verzicht auf eine Ahndung erfolgt im Sinne des Erziehungsgedankens, sofern bereits die Einleitung des Strafverfahrens oder andere informelle Maßnahmen ausreichen um dem jungen Menschen die Ernsthaftigkeit der Verfehlung verständlich zu machen. Im Fall einer Verurteilung ist seit 2012 als besondere Form der Strafaussetzung die Vorbewährung möglich (§ 61 JGG).

Voraussetzung für die Verhängung von Strafen
Für jugendliche und heranwachsende Täter gelten keine gesonderten Straftatbestände, es gelten die allgemeinen Vorschriften (wesentlich das Strafgesetzbuch, das Betäubungsmittelgesetz u.a.). Diese bestimmen die strafbaren Handlungen und deren tatsächliche Voraussetzungen. Lediglich die hierfür für erwachsene Täter festgesetzten Rechtsfolgen kommen nicht zur Anwendung, sondern die Sanktionen des Jugendstrafrechts.
Grundlage jeder Strafbarkeit ist damit auch im Jugendstrafverfahren das Vorliegen eines gesetzlichen Tatbestandes zum Zeitpunkt der Tat, welcher rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht wurde.

Jugendgerichtsverfahren
Zuständig für die Aburteilung von Jugendlichen sind die Jugendgerichte als Abteilungen der Amtsgerichte und Kammern der Landgerichte. Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte sollen „erzieherisch befähigt und in der Jugendarbeit erfahren“ sein. In Strafverfahren, die sich lediglich gegen Jugendliche richten, ist die Öffentlichkeit von der Verhandlung ausgeschlossen. Dies gilt aber nicht bei Verfahren, die sich (auch) gegen Heranwachsende richten, hier ist die Öffentlichkeit zugelassen.

Jugendgerichtshilfe
Eine Besonderheit des Jugendstrafverfahrens ist auch die Einschaltung der Jugendgerichtshilfe (JGH) welche als besondere staatliche Institution über die Jugendämter organisiert ist. Die JGH ist zur „Vertretung der erzieherischen, sozialen und fürsorgerischen Gesichtspunkte“ in das Verfahren eingebunden ist. Sie hat zum einen die Aufgabe, der Staatsanwaltschaft und dem Gericht bei der Erforschung der Persönlichkeit des Beschuldigten bzw. Angeklagten, insbesondere bei der Feststellung des Reifegrades (§§ 3, 105 JGG), die notwendigen Informationen zu beschaffen. Zum anderen soll sie den jungen Menschen während des Verfahrens begleiten. Alles was den Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe durch den Jugendlichen mitgeteilt wird, wird von diesen in einem Bericht an das Gericht mitgeteilt. Häufig wird auch ein Vorschlag für die Strafe im Einzelfall unterbreitet. Der Jugendliche oder Heranwachsende ist nicht verpflichtet mit der JGH und deren Mitarbeitern zu kooperieren, Gespräche zu führen bzw. einen Termin dort wahrzunehmen. Ob ein Gespräch mit der JGH im jeweiligen Einzelfall sinnvoll ist oder nicht, sollte mit einem im Strafrecht erfahrenen Anwalt oder Fachanwalt für Strafrecht besprochen werden.

Wichtig: Sie haben das Recht zu schweigen!
Ebenso wie im allgemeinen Strafverfahren hat der Beschuldigte im Jugendstrafverfahren das Recht zu schweigen und muss keinerlei Angaben zu den Tatvorwürfen machen. Von diesem Schweigerecht sollte umfassend Gebrauch gemacht werden. Der Beschuldigte ist auch im Jugendstrafrecht berechtigt jederzeit einen Anwalt hinzuzuziehen. Es ist unbedingt empfehlenswert vor einer Aussage bei Polizei, Staatsanwaltschaft, Gericht oder Jugendgerichtshilfe einen im Strafrecht einen spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht hinzuzuziehen.

Als erfahrender Fachanwalt für Strafrecht steht Ihnen in Aschaffenburg und bundesweit Rechtsanwalt Matthias Kümpel unter Tel.: 06021 / 4229290 gern zur Verfügung. In dringenden Fällen wie Festnahme, Haftsachen oder Durchsuchungen sind wir 24h über Mobil erreichbar: 0160 / 90792718.

Als Beschuldigter eines Strafverfahrens erleidet man die Maßnahmen staatlicher Gewalt unmittelbar. Das Strafrecht ermöglicht den stärksten Eingriff des Staates in die Rechte des Einzelnen. Eine polizeiliche Durchsuchung Ihrer Wohnung, welche häufig in den frühen Morgenstunden unerwartet und überraschend stattfindet, wenn die Betroffenen häufig noch im Bett liegen, verbunden mit dem Eindringen der Polizeibeamten in Ihre Privat- bzw. Intimsphäre, ist eine äußerst unangenehme Situation. Für den Betroffenen und die Familie bricht oft zunächst eine Welt zusammen.

Manchmal droht gar eine Festnahme und ein Haftbefehl führt zu Untersuchungshaft. Gerade jetzt ist es auch für die Angehörigen wichtig unbedingt mehrmals tief durchzuatmen und Ruhe zu bewahren. So ist es möglich die eigenen Rechte im Auge zu behalten. Es sind einige wichtige Regeln zu beachten, um in dieser Situation angemessen zu reagieren:

1. Sie haben als Beschuldigten Strafverfahren das Recht zu schweigen, bitte machen Sie unbedingt hiervon Gebrauch. Bitte machen Sie gegenüber den Polizeibeamten keinerlei Aussagen auch wenn diese ihnen gegenüber freundlich, sympathisch und hilfsbereit auftreten. Grundsätzlich sollte ein Beschuldigter gegenüber Polizeibeamten keinerlei Angaben machen und schweigen. Auch wenn kein förmliches Vernehmungsprotokoll angefertigt wird, werden Angaben zur Sache, die Sie gegenüber Polizisten machen, gegen Sie verwendet werden. Sie haben es regelmäßig mit erfahrenen und psychologisch geschulten Vernehmungsbeamten zu tun, sodass aus diesem Grund bereits oft eine strukturelle Unterlegenheit vorliegt. Durch Ihr Schweigen dürfen Ihnen als Beschuldigten Strafverfahren rechtlich keinerlei Nachteile entstehen. Es gilt der alte etwas abgewandelte Grundsatz: „Reden ist ein Fehler, Schweigen ist Gold!“

2. Es ist leider nicht möglich, sich gegen die anstehende polizeiliche Durchsuchung aktiv zur Wehr zu setzen, sie muss grundsätzlich geduldet werden. Es gilt besonnen zu handeln und Abwehr ist nicht sinnvoll. Eine rechtliche Überprüfung kann erst nach der Durchsuchungsmaßnahmen erfolgen. Es empfiehlt sich grundsätzlich gegenüber den Polizeibeamten zu kooperieren aber keinesfalls etwas zur Sache zu sagen. Small-Talk mit den Beamten sollten Sie grundsätzlich vermeiden, da Gespräche übers Wetter keinen Sinn machen, wenn Sie nichts zur Sache sagen wollen.

3.Verständigen Sie sofort telefonisch einen im Strafrecht spezialisierten Anwalt, besser einen Fachanwalt für Strafrecht. Bitte teilen Sie den Beamten mit, dass sie einen Rechtsanwalt kontaktieren wollen und dass sie erst eventuell gegenüber den Beamten eine Aussage machen werden, wenn sie mit dem Rechtsanwalt telefoniert zuvor haben oder besser wenn dieser bei Ihnen vor Ort ist. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel können Sie unter 06021/4229290 oder in dringenden Fällen mobil 0160/90792718 rund um die Uhr 24h erreichen.

4. Bei einer Durchsuchung ihrer Wohnung oder Geschäftsräume, bitten Sie die Beamten unbedingt um Aushändigung eines gerichtlichen Durchsuchungsbeschlusses oder aber um Mitteilung, weshalb ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss nicht vorgelegt werden kann. Halten sie die genannten Gründe detailliert schriftlich fest. Sie haben das Recht einen Zeugen bei der Durchsuchung hinzuzuziehen. Bei Gefahr im Verzug kann ihr Anwalt rechtlich überprüfen ob diese Eikompetenz der Polizei tatsächlich rechtlich gegeben ist und der Verwertung der Beweismittel u. Umst. widersprechen. Grundsätzlich sind die Beamten verpflichtet vor einer Durchsuchung einen gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss abzuwarten, nur im Ausnahmefall soll Gefahr im Verzug angenommen werden. Die Rechtmäßigkeit der Durchsuchung kann in einem späteren Verfahren überprüft werden.

5. Sofern Gegenstände aufgefunden werden, die für die Ermittlungen relevant sind (häufig Smartphones, Bargeld, Laptop, Computer, Notebook, Server, Tablett, Datenträger, Fotos, Dokumente und Unterlagen, Ordner oder Drogen/Betäubungsmittel), kann die Polizei diese mit ihrem Einverständnis sicherstellen oder aber es erfolgt die Beschlagnahme der Gegenstände. Insoweit sollte in dem Durchsuchungsbeschluss auch bezeichnet sein, nach welchen Gegenständen konkret gesucht wird und deren Beschlagnahme angeordnet worden sein. Widersprechen Sie der Sicherstellung und achten Sie darauf, dass ihr Widerspruch im Durchsuchungsprotokoll vermerkt ist. Bitte besprechen Sie mit Ihrem Verteidiger, ob es im Einzelfall sinnvoll ist, die gesuchten Gegenstände einfach freiwillig herauszugeben, hierdurch wird regelmäßig die Durchsuchung abgekürzt und weitere Unannehmlichkeiten einer länger fortdauernden polizeilichen Durchsuchung können eventuell so vermieden werden.

6. Sofern die Polizei sie nach Zugangsdaten für Handy oder Computer /Notebook fragt, sollten Sie auch hierzu keine Angaben machen. Sie sind rechtlich nicht verpflichtet ihr Smartphone zu entsperren oder die Login-Daten mitzuteilen. Es ist zwar den Ermittlungsbehörden häufig möglich, die Daten auf den Geräten auch ohne Angabe der PIN auszuwerten. In manchen Fällen scheitert eine solche Auswertung aber auch. Sofern die Beamten mitteilen, dass dann erhebliche Kosten für die Auswertung der Geräte entstehen werden, welche von Ihnen zu tragen sind empfiehlt es sich dennoch oftmals keine Angaben zu machen, hierbei ist natürlich bei der Entscheidung ob die PIN/Zugangsdaten herausgegeben werden, genau abzuwägen und zu überlegen ob auf den Datenträger tatsächlich Tatrelevante Daten vorhanden sind.

7. Sofern die Beamten mitteilen, dass Ihre Festnahme erfolgen soll und Untersuchungshaft droht, ist es unbedingt erforderlich sofort einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Jetzt ist es besonders wichtig, keinerlei Angaben zu machen, bevor sie nicht mit einem im Strafrecht erfahrenen Anwalt oder einem Fachanwalt für Strafrecht gesprochen haben. Häufig führt die drohende Haftsituation dazu, dass unüberlegt Aussagen gemacht werden, durch die Sie sich unnötig selbst belasten. Oftmals hätte die Polizei diese Angaben auf andere Weise nicht erlangen können als durch ihre Aussage. Es ist sicherlich nicht einfach in einer solch schwierigen Lebenslage zu schweigen, dennoch ist dies gerade bei einer drohenden Haft besonders wichtig. Je nach Schwere des Tatvorwurfs, wird in vielen Fällen die Untersuchungshaft ohnehin angeordnet werden, egal ob Sie etwas sagen oder nicht. Ein Aufenthalt im Gefängnis (Untersuchungshaft) ist dann erst einmal unvermeidbar ist. Es lohnt sich also in diesen Fällen keinesfalls, ohne Rechtsanwalt an Ihrer Seite zu haben, Angaben zur Sache zu machen.

8. Wenn alle im Durchsuchungsbeschluss bezeichneten Gegenstände aufgefunden sind, muss die Durchsuchung beendet werden. Wird diese fortgesetzt und weitere Gegenstände sichergestellt, auf die die Durchsuchungsanordnung nicht bezieht, sollten Sie unbedingt der Sicherstellung widersprechen. Bei wichtigen Daten, die Sie zum Beispiel für ihre Berufstätigkeit existenziell benötigen fragen Sie die Beamten freundlich, ob es möglich ist Kopien der Daten zum Beispiel auf einem USB Stick oder einer externen Festplatte anzufertigen. Kopieren Sie eventuell wichtige Unterlagen vor deren Sicherstellung.

9. Bitte vermeiden Sie es während einer laufenden Durchsuchungsmaßnahme irgendwelche Gegenstände, z. B. Drogen, Dokumente oder Waffen verschwinden zu lassen. Solche Verhaltensweisen können unter Umständen die Gefahr einer Festnahme begründen (Haftgrund der Verdunkelungsgefahr).

10. Sie sind als Beschuldigter eines Strafverfahrens nicht verpflichtet, irgendwelche Erklärungen gegenüber der Polzei oder Staatsanwaltschaft abzugeben oder Sicherstellungs- oder Durchsuchungsprotokolle zu unterzeichnen. Verweigern Sie daher freundlich aber konsequent die Unterschrift unter alle Schriftstücke, die ihnen vorgelegt werden, bevor sie nicht Rücksprache mit ihrem Strafverteidiger genommen haben. Wenn die Durchsuchung zu Ende ist, lassen Sie sich ein vollständiges Verzeichnis der sichergestellten Gegenstände aushändigen und achten Sie darauf, dass auch alle Gegenstände und Unterlagen / Leitzordner hierin korrekt verzeichnet sind.

Als erfahrender Strafverteidiger steht Ihnen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel Tel.: 06021/4229290 gern zur Verfügung. In dringenden Fällen wie Festnahme, Haftsachen oder Durchsuchung über Mobil: 0160/90792718 rund um die Uhr 24h.

Erläuterung und Kommentar: Rechtsanwalt Matthias Kümpel

Die neuen Fallzahlen zu Arzthaftung und Behandlungsfehlern für das Jahr 2018 wurden durch die Bundesärztekammer vorgestellt.

Geringer Rückgang der Fälle

Im Vergleich zum Vorjahr ist ein geringer Rückgang zu verzeichnen, was die Anzahl der gestellten Anträge 10.839 (Vorjahr 2017: 11.100)  – 2,35 %, der Anzahl der erledigten Anträge 9.901 (Vorjahr 2017: 11.449) – 13,52 % sowie die Anzahl aller Sachentscheidungen (z. B. gutachterliche Bescheide) 5.972 (Vorjahr 2017: 7.307) – 18,27 % betrifft. Woraus diese leichte Veränderung resultiert, lässt sich nicht genau sagen.

Es ist aber nach dem Eindruck des Verfassers auch so, dass ohnehin nur eine geringe Anzahl der Fälle tatsächlich zu einem Schlichtungsverfahren gelangt und eine hohe Dunkelziffer an medizinischen Behandlungsfehlern anzunehmen ist, die niemals bei den Schlichtungsstellen noch bei den Krankenkassen oder Gerichten auftauchen.

Informationsdefizit der Patienten als medizinischen Laien

Die Patienten wissen als medizinische Laien, trotz einer wegen des Internets deutlich besseren Informationslage, häufig schlicht zu wenig über Indikationsstellung, Befunderhebung, Diagnostik, Aufklärung und (operative) Behandlung sowie Nachsorge.  Der hierbei jeweils zu beachtenden Facharztstandard ist dem Patienten oft unbekannt und unverständlich, so dass Fehler unerkannt bleiben und vom Patienten als schicksalhaft und krankheitsbedingt betrachtet werden, obwohl vielleicht tatsächlich bei genauerer medizinischer und medizinrechtlicher Überprüfung ein relevanter Fehler passiert ist.

Diese strukturelle Unterlegenheit der Patienten- gegenüber der Ärzteseite gilt es so weit als möglich anzugleichen. Das Patientenrechtegesetz welches bereits im Februar 2013 in Kraft trat, hat die bestehende Rechtsprechung in Gesetzesform gebracht, aber hat darüber hinaus nicht viel am grundsätzlichen System des Arzthaftungsrechts insbesondere im Hinblick auf die komplizierten Fragen der Beweislast und der häufig schwammigen Differenzierung zwischen „einfachem und groben Behandlungsfehlers“ geändert. Wünschenswert wäre auch der erleichterte Zugang zu qualifiziertem medizinischen Sachverstand und Gutachtern, welcher dem Patienten, aus wirtschaftlichen Gründen oftmals verbaut ist.

Dokumentation und Informationspflichten

Bedeutsam sind Informationspflichten und eine sichere und möglichst irreversible und manipulationsfreie EDV-gestützte Dokumentation aller ärztlichen Schritte am Patienten besonders auch im ambulanten Bereich. Hierdurch schafft man Transparenz, wodurch das Vertrauen in die Ärzteschaft und die Kliniken gestärkt würde.  Manches ist hier schon gesetzlich geregelt oder auf den Weg gebracht.

Doch wie soll der Arzt den Anforderungen der umfassenden Dokumentation nachkommen, wenn neben den Behandlungsabläufen kaum Zeit für ein vertiefendes Gespräch mit den häufig multimorbiden Patienten mehr bleibt. Die im Medizinsektor tätigen Ärzte und Chefärzte sollen Umsatz für die Kliniken generieren und werden vom Management betriebswirtschaftlich danach beurteilt und bewertet, ob dies ausreichend gelingt.

Wünschenswert: Förderung der sprechenden Medizin

Die gute und auch menschlich einfühlsame Arbeit des Arztes aber auch des Pflegepersonals, im Sinne der „sprechenden Medizin“ am Patienten, ist im stationären Bereich außerordentlich wichtig, bringt aber im gegenwärtigen System der Fallpauschalen ökonomisch kaum mehr Umsatz für die Kliniken. Folglich geschieht, wenn überhaupt etwas, nur das Nötigste und man beschränkt sich nur noch auf die praktische Durchführung der Behandlung.

Vorrang wirtschaftlicher Ziele vor dem Wohl der Patienten

Die Privatisierung staatlicher Kliniken ist politisch betrachtet, ein alsbald zu revidierender Irrweg. Kliniken und die tätigen Leistungserbringer haben die Kernaufgabe für die Gesundheit der Bürger zu sorgen und wesentlich das Wohl der Patienten und nicht Umsatz und Gewinn im Auge zu haben.Die ökonomische Seite der Medaille ist sicher wichtig und relevant, aber im Hinblick auf des eigentliche Primärziel die Patienten angemessen nach Facharztstandard zu behandeln und zu heilen, eben erst in zweiter Linie.

Gegenwärtig ist die Situation meiner Meinung nach umgekehrt. Politisch gewollte, ökonomische Vorgaben haben das Gesundheitswesen fest im Würgegriff. Hier darf sich der Staat im Bereich der Daseinsvorsorge nicht weiter zurückziehen und durch immer mehr Privatisierung bzw. durch Schließung von „unwirtschaftlichen“ Kliniken die Medizin in diesem Land immer mehr dem freien Spiel des Marktes überlassen. Dies hätte fatale Folgen für uns alle.

Letztlich ist als wesentliche Ursache für Fehler und Missstände im stationären medizinischen Bereich der massive wirtschaftliche Druck der auf das Gesundheitssystem einwirkt zu benennen. Dieser führt zur systematischen und letztlich politisch gewollten Überlastung des Kliniksektors und der dort ärztlich und pflegerisch tätigen Menschen.

Doch nun kommen wir wieder zu den Zahlen der Statistik:

Die 10 häufigsten Diagnosen im Rahmen von ärztlichen Behandlungsfehlern oder Risikoaufklärungsmängeln mit denen die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen im Jahr 2018 befasst waren lauten:

Degenerative Gelenkerkrankungen des Kniegelenks (Gonarthrose), Arthrose des Hüftgelenks (Koxarthrose), Oberschenkelbruch (Femurfraktur), Schaden der Bandscheibe, Lendenwirbelsäule Unterschenkel- u. Sprunggelenksbruch, Knie (degenerativ) Unterarmbruch, Schleimbeutelentzündung der Schulter (Bursitis), Knie Binnenschaden (traumatisch), Schulter- und Oberarmbruch.

Die Vorwürfe der Patienten betrafen wesentlich die Durchführung der operativen Therapie, die Diagnostik bei bildgebenden Verfahren (Röntgen, MRT, CT u.a.), Anamnese/ Untersuchung, Indikation, Aufklärung über das Risiko, Maßnahmen der postoperativen Therapie, Behandlung durch Arzneimittel, Labordiagnostik/ Zusatzuntersuchungen, konservative Therapie und Infektion.

Der Bereich der Behandlung in Krankenhäusern und Kliniken ist wie immer deutlich fehleranfälliger mit 5.259 Fällen (75,91%) im Vergleich zu den niedergelassenen Ärzten mit 1.669 Fällen (24,09%), bei einer Gesamtzahl der Antragsgegner bei Sachentscheidungen von 6.928.

Insgesamt waren die Schlichtungsstellen mit 5.972 Sachentscheidungen betraut, bei 4.114 (68,88 %) der Fälle wurde ein Behandlungsfehler / Risikoaufklärungsmangel bereits dem Grunde nach verneint.

In nur 41 Fällen (0,687%) wurde ausschließlich ein Risikoaufklärungsmangel bejaht.  In 1.817 Fällen (30,43 %) wurde ein Behandlungsfehler bejaht. In 359 Fällen (6,01%) wurde ein Behandlungsfehler oder ein Risikoaufklärungsmangel bejaht aber letztlich die Kausalität (Ursächlichkeit des Fehlers für den Gesundheitsschaden) von den Gutachter- und Schlichtungsstellen verneint.

Nur bei ca. 25% der Fälle Arzthaftung dem Grunde nach bejaht

Schließlich sind lediglich 1.499 Fälle zu verzeichnen gewesen, was einer Quote von 25,10 % aller Fälle entspricht, bei denen die Gutachter- und Schlichtungsstellen einen Behandlungsfehler oder  Risikoaufklärungsmangel und die Ursächlichkeit des Fehlers für den Gesundheitsschaden (Kausalität) bejaht haben.

Also bei lediglich bei etwa ¼ aller bundesweiten Sachentscheidungen der Schlichtungsstellen ist ein Anspruch des Patienten auf Schadenersatz und Schmerzensgeld dem Grunde nach bejaht worden. Die Anzahl der Sachverhalte, bei denen tatsächlich Zahlungen geleistet wurden, dürfte noch geringer sein, da ein für den Patienten positives Schlichtungsgutachten nicht notwendig bedeutet, dass Klinik oder Arzt bzw. die Haftpflichtversicherung auch Schmerzensgeld oder Schadenersatz zahlen muss.

Oftmals wird jedoch die Bereitschaft bestehen, einen Vergleich zu schließen, wobei es dann auf gute und professionelle Verhandlungsführung auf Patientenseite ankommt, um unter Berücksichtigung aller Schadenspositionen (Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Mehraufwendungen, Rentenzahlung, Haushaltsführungsschaden, etc) ein möglichst gutes finanzielles Ergebnis zu erreichen.

In manchen Fällen ist also trotz positivem Schlichtungsgutachten noch ein Zivilprozess vor den ordentlichen Gerichten durchzuführen, wenn die Behandlerseite, meist der Haftpflichtversicherer von Klinik oder Arzt das Gutachten nicht akzeptiert oder die konkrete Höhe der Ansprüche in Euro noch streitig ist.

Man kann es also trotzdem darauf ankommen lassen und abwarten ob der geschädigte Patient tatsächlich willens und in der Lage ist, einen Zivilprozess zu führen. Wenn der Patient dann keine Klage erhebt, geht er in diesen Fällen trotz positivem Schiedsgutachten leer aus.

Lohnt es sich für den Patienten im konkreten Fall einen Antrag zu stellen?

Ob es im Einzelfall lohnenswert erscheint, die Gutachter- und Schlichtungsstellen mit dem eigenen Fall zu betrauen, muss angesichts der doch sehr geringen Erfolgsquoten sehr genau abgewogen und geprüft werden. Die Gutachterverfahren der Schlichtungsstellen sind bei Einverständnis der Gegenseite zwar kostenlos für den Patienten durchführbar, aber leider sind diese auch auch in ca. 75 % der Fälle erfolglos. Existiert erst einmal ein für den Patienten negatives Schlichtungsgutachten, ist ein gerichtliches Vorgehen gegen die Klinik oder den Arzt im Wege des Zivilprozesses weiterhin möglich, aber durchaus erschwert.

Im Zweifel Beratung in Anspruch nehmen

Diese Frage lässt sich nur individuell beantworten. Bevor man als Patient einen Antrag bei einer der Gutachter- und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern stellt, empfehlen wir daher unbedingt eine persönliche Beratung durch einen im Medizin- und Arzthaftungsrecht spezialisierten und erfahrenen Rechtsanwalt in Anspruch zu nehmen, auch im Hinblick auf gegebenenfalls bessere Alternativen.

In Fällen des Arzthaftungsrechts ist es von besonderem Vorteil, wenn eine Rechtschutzversicherung abgeschlossen wurde. Diese trägt oftmals die Kosten der Vertretung sowie sämtliche im Prozessfall entstehende Gerichts- und Gutachterkosten für gerichtlich bestellte Sachverständige.

Quelle: Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2018, veröffentlicht am 04.04.2019

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Wenn Sie als Beschuldigter seitens der Staatsanwaltschaft oder Polizei dem Vorwurf einer Straftat ausgesetzt sind, kann dies unter Umständen ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen. Sie sollten daher im Strafrecht als Verteidiger besser einen Anwalt an Ihrer Seite auswählen, der besondere Qualifikationen und Erfahrungen in diesem Rechtsgebiet nachweisen kann: einen Fachanwalt für Strafrecht.

Professionelle und erfolgreiche Strafverteidigung erfordert Erfahrung und ständige Fortbildung. 

Der Fachanwalt für Strafrecht verfügt neben seinem Beruf als Rechtsanwalt über eine zusätzliche Qualifikation im Fachgebiet des Strafrechts gemäß § 13 Fachanwaltsordnung (FAO). 

Eine effektive Verteidigung des Rechtssuchenden wird durch diese Spezialisierung ebenso gewährleistet, wie eine umfassende Beratung und vielfältige persönliche Unterstützung im gesamten Bereich der Strafrechtspflege.

Die besondere Qualifikation muss der Fachanwalt für Strafrecht vor einer für ihn örtlich zuständigen Rechtsanwaltskammer nachgewiesen haben (§ 22 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 6 FAO), die dem Rechtsanwalt die Fachanwaltsbezeichnung verleiht.

Für die Berufsbezeichnung Fachanwalt für Strafrecht muss ein Anwalt die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 FAO erfüllen. Das heißt, der Rechtsanwalt muss über besondere theoretische Kenntnisse sowie über besondere praktische Erfahrung im Strafrecht verfügen.

Besondere Kenntnisse (vgl. § 13 FAO) besitzt der Fachanwalt für Strafrecht in den Bereichen: 

Methodik und Recht der Strafverteidigung sowie den maßgeblichen Hilfswissenschaften

  • Materielles Strafrecht einschließlich Jugend-, Betäubungsmittel-, Verkehrs-, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht
  • Strafverfahrensrecht einschließlich Jugendstrafrecht und Ordnungswidrigkeitenverfahren / Verkehrsordnungswidrigkeiten, Verkehrsstrafrecht sowie Strafvollstreckung- und Strafvollzugsrecht.

Diese besonderen theoretischen Kenntnisse werden in einem speziellen Fachanwaltslehrgang, den der Anwalt mit drei bestandenen Klausuren absolvieren muss erworben.

Es ist fortlaufend die jährliche Fortbildungsverpflichtung im zeitlichen Umfang von 15 Stunden gegenüber der Rechtsanwaltskammer gemäß § 15 FAO unaufgefordert nachzuweisen.

Sofern Sie weitere Informationen oder eine anwaltliche Beratung wünschen, steht Ihnen Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Matthias Kümpel in Aschaffenburg und bundesweit gern zur Verfügung.

Wichtiger Rat: Als Beschuldigter im Strafrecht immer Schweigen und niemals Angaben bei der Polizei machen, sofort einen Fachanwalt für Strafrecht kontaktieren!

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Die Wirkstoffe Valsartan, Irbesartan und Losartan werden zur Behandlung von erhöhtem Blutdruck (Hypertonie) und Herzschwäche (Herzinsuffizienz) angewendet. Sie gehört zur Klasse der Sartane, die auch AT1-Rezeptor-Antagonisten genannt werden. Im Juli und August 2018 kam zu einem Rückruf des Wirkstoffs Valsartan (Hersteller: Zhejiang Tianyu Pharmaceutical Co., Ltd.) unter anderem durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM. Die Entscheidung über den europaweiten Rückruf sämtlicher Valsartan-Präparate erfolgte am 03.07.2018, der Rückruf selbst begann am 04.07.2018. Auch hinsichtlich der Wirkstoffe Irbesartan (Wirkstoffhersteller Aurobindo Pharma Limited) und Losartan, welche ebenfalls zur Behandlung von Bluthochdruck und bei Herzinsuffizienz verordnet werden, erfolgten Rückrufe.

Warum erfolgten die Rückrufe und welches Risiko besteht?

Bei den zurückgerufenen Präparaten lagen Verunreinigungen mit potentiell für den Menschen krebserregenden Nitrosaminen N-Nitrosodimethylamin (NDMA) und N-Nitrosodiethylamin (NDEA)vor. Diese in den Sartanen als Verunreinigung enthaltenen Nitrosamine sind als wahrscheinliche menschliche Karzinogene (Substanzen, die Krebs verursachen könnten) einzustufen sind. Zahlreiche N-Nitrosamine sind laut BfR besonders potente Kanzerogene, für die keine sichere toxikologische Wirkungsschwelle angenommen werden könne. Bereits kleinste Mengen könnten krebsauslösend wirken. Die induzierten DNA-Schädigungen stiegen linear mit der Dosis an. Aufgrund der fehlenden Wirkungsschwelle verweist das BfR in einer Risikobewertung darauf dass grundsätzlich für genotoxische Kanzerogene die Exposition soweit wie möglich zu minimieren und das ALARA-Prinzip („As low As Reasonably Achievable“= „so niedrig wie vernünftigerweise erreichbar“) anzuwenden sei.

Die Toxizität und Kanzerogenität von N-Nitrosaminen ist laut Bundesamt für Risikobewertung (BfR) in zahlreichen Monografien „umfassend“ dokumentiert. N-Nitrosamine haben in praktisch allen untersuchten Spezies sowohl nach oraler als auch nach inhalativer Aufnahme Tumore induziert (nachgewiesen in über 40 Tierspezies). Daher sei anzunehmen, dass sie auch beim Menschen krebsauslösend wirken (WHO, 2002), so das BfR.
Die kanzerogene Potenz der verschiedenen N-Nitrosamine variiere dabei sehr stark, wobei NDMA zu den potentesten gehört. Insgesamt lassen sich die Risiken durch die Einnahme der Medikamente und zur Zeit aber noch nicht vollständig Abschätzen.

Welche Ansprüche haben Betroffene Patienten?

Betroffene die über einen längeren Zeitraum die bezeichneten Medikamente eingenommen haben und bei denen eine Krebserkrankung aufgetreten ist, besitzen unter Umständen durchsetzbare Ansprüche auf Schadenersatz- und Schmerzensgeld gegen die Hersteller der Medikamente. Die wichtigste gesetzliche Anspruchsgrundlage ist die Regelung in § 84 Arzneimittelgesetz (AMG), daneben kommen Ansprüche aus der Produzentenhaftung (§ 823 BGB) sowie dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) in Betracht.

Auskunftsanspruch

Zunächst besteht gegen den Hersteller aber auch gegen Behörden (z.B. das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte = BfArM) ein Auskunftsanspruch des Geschädigten gem. § 84 a AMG zu bekannten Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie bekannt gewordene Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Wechselwirkungen und sämtliche weiteren Erkenntnisse, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Arzneimittels von Bedeutung sein können. Der Anspruch auf Auskunft dient der Vorbereitung des Haftungsanspruchs, da die genannten Daten dem Betroffenen Patienten meist nicht bekannt sind.

Haftungsanspruch

Der Anspruch auf Schadenersatz nach § 84 Abs. 1 AMG erfordert nicht das der Hersteller schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) gehandelt hat. Ist das angewendete Arzneimittel nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden durch dieses Arzneimittel verursacht ist (§ 84 Abs. 2 AMG).

Der Geschädigte muss also nicht mühsam durch Gutachten beweisen, dass der Schaden auf der Arzneimittelwirkung beruht. Die Vermutung gilt jedoch nicht, wenn ein anderer Umstand nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. Darlegungs- und beweisbelastet für einen anderen Umstand im Einzelfall ist der Hersteller des Arzneimittels. Er muss die anderen Umstände (nicht auf dem Arzneimittel und dessen Wirkung beruhende Umstände) welche den Schaden verursacht haben sollen im Einzelfall benennen und beweisen.

Für eine rechtliche Bewertung der Erfolgsaussichten beraten wir Sie gern bundesweit. Auch setzen wir Ihre Ansprüche gegen die Hersteller durch. Hilfreich ist hierzu eine Rechtschutzversicherung, welche meist die Kosten übernimmt.

Bitte rufen Sie uns an oder senden uns eine Nachricht. Wir melden uns zeitnah bei Ihnen.

Rechtsanwalt Matthias Kümpel, Erthalstraße 17, 63739 Aschaffenburg
Tel. 06021/4229290, E-Mail: kanzlei@recht-ab.de Website: www.recht-ab.de

 

Dem klagenden Patienten wurde im Krankenhaus der Beklagten durch den ebenfalls beklagten Arzt am 11.1.2010 eine Hüfttotalendoprothese am linken Bein implantiert.In der Folge wurde er aufgrund stark zunehmender Schmerzen in der linken Hüfte am 3.3.2010 wieder stationär aufgenommen. Die Entzündungswerte (Leukozyten und der CRP-Wert) waren nicht erhöht. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Beckens, ergab keinen Befund.

Der beklagte Arzt führte einen Revisionseingriff am 23.3.2010 durch. In dem Operationsbericht, der als Diagnose eine (a)septische Prothesenlockerung anführt, heißt es, dass zunächst lediglich ein Hüftkopfkeramikwechsel vorgesehen gewesen sei, sich jedoch bei einem hierzu erfolgten leichten Schlag die Prothese vollständig aus ihrem Zementmantel gelockert habe. Darauf nahm der Beklagte zu 2) eine Prothesenexplantation vor und schuf eine sog. Girdlestone-Situation (Entfernung des Oberschenkelkopfs ohne Ersatz). Weder wurde ein Spacer eingesetzt, noch eine neue Prothese.

Erst in einer weiteren Operation am 15.6.2010 wurde links eine Hüfttotalendoprothese mit einem Schaft vom Typ Hyperion ein, der aus Schaft, Hals und Kopf bestand eingesetzt. Hierzu heißt es im Operationsbericht: „Einbringen des 160er Schaftes, 14 mm Durchmesser mit 15er-Hals gekoppelt“.

Am 12.4.2011 suchte der klagende Patient bei andauernden Hüftgelenksbeschwerden die Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums auf. Bei der dort am 1.6.2011 durchgeführten nochmaligen Revisionsoperation zeigte sich, dass Schaft und Halsteil nicht fest miteinander verbunden waren. Der Operateur wechselte das Halsteil und den Kopf.

Der Kläger hat die Beklagten auf ein Schmerzensgeld von mindestens 60.000 EUR und Feststellung der Ersatzpflicht in Anspruch genommen. Er hat ihnen – teils gestützt auf zwei Bescheide der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler und drei Gutachten unter anderem vorgeworfen, dass der Beklagte Arzt bei dem Eingriff vom 15.6.2011 die Schaftteile der Prothese nicht ordnungsgemäß miteinander verspannt habe. Er leide unter Schmerzen im linken Hüftgelenk bis in das Bein hinunter in Ruhe und bei Belastung, einer eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks und einer Atrophie der Muskulatur. Er sei auf Gehhilfen und außerhalb des Hauses auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen.

Das Oberlandesgericht Köln kommt nach Anhörung mehrer Sachverständiger zum Ergebnis, dass bei der Operation vom 15.6.2010 der Schaft und das Halsteil der eingesetzten Prothese vom Typ Hyperion fehlerhaft miteinander verspannt worden seien. Anders als durch einen Fehler beim Verspannvorgang sei die bei der Revisionsoperation vom 1.6.2011 festgestellte Tatsache, dass der Schaft und das Halsteil nicht fest miteinander verbunden waren, nicht zu erklären.

Andere Ursachen wie ein Materialfehler oder ein Trauma (z.B. durch einen Sturz des Klägers) seien nicht vorgetragen noch ersichtlich, so dass es für die Lockerung der Prothesen keine andere logische Erklärung gebe als eine Unzulänglichkeit bei der Einbringung der Prothese. Die Wahrscheinlichkeit eines Materialfehlers sei als so gering anzusehen, dass diese nicht in Betracht zu ziehen sei.

Die fehlerhafte Verspannung von Schaft und Halsteil habe einen gesundheitlichen Schaden des Klägers verursacht. Die unmittelbare Folge des Behandlungsfehlers und der primäre Schaden lagen darin, dass die Prothese locker war oder sich bis zur Revisionsoperation vom 1.6.2011 sukzessive lockerte. Dies bewirkte während eines Zeitraums von etwa einem Jahr, eine Fehlfunktion der Hüftprothese und eine Zunahme der Beschwerdesymptomatik, die sich in zunehmenden Schmerzen und einer Reduktion der Gehfähigkeit äußerte.

Der Kläger habe ferner, unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts (§ 287 ZPO = Beweiserleicherung für den Patienten) bewiesen, dass die heute bestehenden Folgen und dauerhaften Beeinträchtigungen auf dem Behandlungsfehler und dem Primärschaden beruhen.

Der Sachverständige habe festgestellt, dass der Patient, wie von ihm vorgetragen, unter Schmerzen im linken Hüftgelenk und einer eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks leide sowie bei kurzen Strecken auf Gehhilfen oder eine Hilfsperson und im Übrigen auf den Rollstuhl angewiesen sei.Es sei überwiegend wahrscheinlich, dass diese Beschwerdebild heute nicht vorliegen würde und beim Kläger eine Hüftfunktion bestünde wie gewöhnlich nach der Implantation einer Prothese, wenn den Beklagten der festgestellte Fehler nicht unterlaufen und die Prothese im Zeitraum bis zum 1.6.2011 nicht gelockert gewesen wäre.

In rechtlicher Hinsicht stellen sich die Beeinträchtigungen, die nach der erfolgreichen Revisionsoperation vom 15.6.2011 andauern, als mittelbare Folge der fehlerhaften Verspannung der Prothese dar. In dem Zeitraum, in dem die Prothesenlockerung bestand, sei keine ausreichende Mobilisation und Rehabilitation des Klägers möglich gewesen, was zur Verfestigung der Funktionseinschränkung und des Beschwerdebildes führte.

Der Kläger behauptete auch, dass die am 11.1.2010 durchgeführte Primäroperation der Prothese bereits nicht indiziert gewesen sei bzw. nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt war, dass dabei die erforderlichen Hygienemaßnahmen nicht eingehalten worden seien und die ärztliche Aufklärung insgesamt nicht oder unzureichend erfolgt sei. Dem folgte das Gericht jedoch nicht.

Am 23.3.2010 sei nicht nur ein einzeitiges Vorgehen, sondern auch ein zweizeitiges Vorgehen ohne den Einsatz eines Spacers unter Schaffung einer sog. Girdlestone-Situation indiziert gewesen. Es sei davon auszugehen, dass ein zweizeitiges Vorgehen trotz der damit verbundenen Nachteile (vorübergehende Beinverkürzung, Instabilität in der Hüfte, Immobilität, weitere Operation) mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einer Infektausheilung führt. Ein Spacer hätte die Hüftpfanne, für die im Operationsbericht bereits ein Defekt beschrieben sei, weiter hätte schädigen können.Es bestehe ein Schadenersatz- und Schmerzensgeldanspruch aufgrund einer fehlerhaften Verspannung von Schaft und Halsteil der eingesetzten Prothese.

Zum Ausgleich der immateriellen Beeinträchtigungen, die sich aus den fehlerbedingten Schmerzen und der eingeschränkten Beweglichkeit des linken Hüftgelenks sowie der eingeschränkten Gehfähigkeit ergeben, hielt der Senat des Oberlandesgericht ein Schmerzensgeld von 50.000 EUR für erforderlich. Dabei hat er das hohe Ausmaß der Beschwerden und den langen Zeitraum berücksichtigt, in dem die Schmerzen und die erhebliche Einschränkung des Gehvermögens bestanden und voraussichtlich noch bestehen werden (Urteil des OLG Köln 5. Zivilsenat, 23.05.2018, Az.: 5 U 148/16).

Wünschen Sie eine Beratung zum Arzthaftungsrecht? Sind Sie von einem ärztlichen Kunstfehler oder Behandlungsfehler betroffen? Rechtsanwalt Matthias Kümpel berät Sie als Spezialist für Medizinrecht qualifiziert und setzt Ihre berechtigten Ansprüche durch.

Das Landgericht Münster hatte einen interessanten Fall aus dem Bereich der Arzthaftung zu entscheiden (LG Münster 01.03.2018, Az.:111 O 25/14). Ein Klinikträger wurde verurteilt ein beachtliches Schmerzensgeld von 250.000,- Euro nebst Zinsen zu zahlen sowie für sämtliche resultierenden materiellen Schäden sowie künftige immaterielle Schäden aufgrund der fehlerhaften Behandlung und unzureichenden Risikoaufklärung durch einen externen Belegarzt […]